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Bayern-Wahlkampf: Grünen-Bashing von Söder, Aiwanger und Co.! „Für Demokratie gefährlich“

Kurz vor der Landtagswahl in Bayern teilen Markus Söder und Hubert Aiwanger noch fleißig gegen die Grünen aus. Reiner Wahlkampf oder gefährlich?

Kurz vor der Landtagswahl in Bayern teilen Markus Söder und Hubert Aiwanger noch fleißig gegen die Grünen aus. Reiner Wahlkampf oder gefährlich?
© IMAGO / Sven Simon IMAGO / Bihlmayerfotografie IMAGO / Smith

Nach Demo-Auftritt: Grüne fordern Entlassung von Aiwanger

Die umstrittene Rede von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger auf einer Demonstration hat ein Nachspiel im bayerischen Landtag. Die Grünen fordern in einem Dringlichkeitsantrag die Entlassung des Freie-Wähler-Chefs.

In Bayern herrscht Wahlkampf – nicht nur in den Bierzelten wird hitzig diskutiert, auch die Politiker selbst nehmen kein Blatt vor den Mund. Dabei gibt es oft ein gemeinsames Feindbild: die Grünen.

Laut CSU-Ministerpräsident Markus Söder gehören diese nicht zu Bayern, sie seien „Ampel-Fans, aber haben kein Bayern-Gen“. Auch bezeichnete er sie als „größte Spielverderber der Nation.“ Sein Stellvertreter, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, schlägt in die selbe Kerbe, behauptet: „Wer AfD wählt, kann auch direkt Grün wählen.“

Und wie reagiert das Volk? Erst kürzlich kam es auf einem Grünen-Event im bayerischen Neu-Ulm zu einem Angriff: Ein Mann verfehlte mit seinem Steinwurf nur knapp die Grünen-Politiker Ludwig Hartmann und Katharina Schulze. Fühlten sich diese Wähler durch das Grünen-Bashing von Söder und Co. angestachelt? Überschreiten die Politiker die Grenzen des guten (Wahlkampf-)Geschmacks? Ursula Münch, Direktorin an der Akademie für Politische Bildung Tutzing, klärt auf.

Warum werden die Grünen als Sündenbock hingestellt?

Frau Münch, der Druck auf Söder und Aiwanger wächst, am 8. Oktober wird gewählt. Wird deshalb der Ton langsam rauer?

In erster Linie ist das Wahlkampf – und der findet in Bayern gern auch im Bierzelt statt. Man kann natürlich nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, nichtsdestotrotz aber haben wir eine ziemliche Stimmungsmache – nicht nur von Seiten des CSU-Vorsitzenden, sondern gerade auch von Hubert Aiwanger. Sachliche, inhaltliche Kritik gehört zum politischen Wettbewerb dazu, gerade in Wahlkampfzeiten. Aber beide Parteivorsitzende ziehen schon ordentlich vom Leder und übertreiben immer wieder maßlos. So wird auch mal behauptet, dass die Grünen uns alle zum Veganismus zwingen wollten. In Kombination mit der verbreiteten Stimmungsmache in den Sozialen Netzwerken wird ein Feindbild aufgebaut. Wir haben emotionale Zeiten, Leute springen auf Themen an, bei denen die Grünen sich angeblich oder tatsächlich in die private Lebensführung einmischen.

Nicht nur CSU und Freie Wähler sticheln gegen die Grünen, auch andere Politiker schließen sich der Stimmungsmache an.

Die Grünen provozieren das teilweise geradezu. Sie vertreten ja die Idee, dass wir angesichts der Klimakrise unsere Lebensweise ändern sollten. Sie legen Gesetze vor, die sich in den Privatbereich der Menschen einmischen. Und das geht einem nennenswerten Teil der Bevölkerung anscheinend zu weit, die sagen: ‚Kümmert euch lieber um die Migration als um meinen Heizungskeller‘. Es gibt also durchaus auch einen Anlass für den öffentlichen Unmut. Aber: Dieser rechtfertigt nicht, dass Wahlkämpfer völlig übertreiben und zusätzliche Emotionen schüren.

Wir leben in einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Regierung so groß ist wie nie zuvor. Das scheint sich vor allem auf die Grünen zu beziehen, weniger auf SPD und FDP. Das macht sich der politische Gegner, gerade in Bayern, zu eigen. Aus CSU- und Freie Wähler-Sicht ist das eine Strategie, um deutlich zu machen, dass die bayerische Staatsregierung als einzige deutsche Landesregierung keinerlei Schnittmengen zu den Ampelparteien aufweist.

Es sind Themen mit denen man schnell Stimmung machen kann. Bei Ernährung, Heizen und Gendern braucht man den Leuten nicht viel erklären, da kochen die Emotionen schnell hoch. Da hat man die Lacher und die Empörungspfiffe schon vorher sicher.

Grüne: „Es wird noch radikaler werden“

Kann man das Verhalten von Söder und Co. als bewusstes Anstacheln der Wähler ansehen?

Ja, es wird angestachelt. Und das nicht nur in den Bierzelten, sondern auch in den Sozialen Netzwerken und Medien. Es gibt immer einen kleinen wahren Kern, aber die Behauptungen sind enorm verkürzt und massiv zugespitzt. Da wird zusätzlich aufgeheizt und aufgepeitscht – vor allem durch Aiwanger und den CSU-Vorsitzenden.

Wenn also ständig von Söder und Co. zu hören ist, die Grünen seien am allem Schuld, könnten dann Menschen davon ermutigt werden, Gewalt gegen diese auszuüben?

Die Grünen berichten immer wieder von Übergriffen und üblen Schmähungen und das nicht nur auf Wahlkampfveranstaltungen.

Lässt sich das auf das Grünen-Bashing zurückzuführen?

Ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen diesen Vorfällen einerseits und den Wahlkampfreden andererseits lässt sich nicht nachweisen. Die Grünen selbst sehen diesen aber schon. Sie sagen: ‚Einige fühlen sich dadurch motiviert, fühlen sich stärker‘. Die Auffälligkeit, dass sich das häuft, kann man feststellen. Es kann auch Zufall sein, aber die Grünen glauben da nicht dran. Leute werden eingeschüchtert, beleidigt und bedroht. Letztens habe ich Ricarda Lang bei einer Veranstaltung getroffen – und ich finde es erschreckend, dass sie Polizeischutz benötigt. Für unsere Demokratie und unseren Parteienwettbewerb ist das gefährlich. Denn wer geht dann noch in Parteien, wer ist bereit solche Ämter zu übernehmen? Das sind irgendwann nur noch Menschen mit einem dicken Fell. Dass nur noch die Hartgesottenen in die Politik gehen, können wir nicht wollen.


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Ein Blick in die Zukunft: Werden die Grünen auch nach dem Wahlkampf weiterhin als Sündenbock herhalten müssen?

Das ist schwierig vorauszusagen, weil man nicht weiß, ob die starke Kritik an der Ampel bleibt. Es hat sicherlich viel mit Wahlkampf zu tun, die Aufmerksamkeit ist aktuell größer. Man kann hoffen, dass es wieder zurückgeht. Andererseits stehen nächstes Jahr die Europa-Wahlen und drei Landtagswahlen in Ostdeutschland an. Es wird also höchstens eine kurze Erholungspause – dann wird es womöglich noch radikaler werden.