Veröffentlicht inRegion

Grüne in NRW: Nyke Slawik (27) kann Karl Lauterbach gefährlich werden!

Grüne in NRW: Nyke Slawik (27) kann Karl Lauterbach gefährlich werden!

SlawikLauterbach.jpg

Superwahljahr 2021: Diese Entscheidungen stehen an

Grüne in NRW: Nyke Slawik (27) kann Karl Lauterbach gefährlich werden!

Superwahljahr 2021: Diese Entscheidungen stehen an

Im Wahljahr 2021 fallen in Deutschland einige richtungsweisende Entscheidungen. Die wohl wichtigste: Am 26. September wird der 20. Deutsche Bundestag gewählt. Wir zeigen Dir, welche Wahlen dieses Jahr anstehen.

Sie ist erst 27 Jahre alt, Spitzenkandidatin der Grünen Jugend NRW für die Bundestagswahl und hat einen nahezu sicheren Listenplatz: Nyke Slawik wird höchstwahrscheinlich im Herbst in den Bundestag einziehen.

Ob die Grünen-Politikerin befürchtet, dass ihre Partei die hohen Erwartungen der „Fridays for Future“-Bewegung enttäuschen wird, wie sie Karl Lauterbach im Duell um den Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim herausfordern will – und warum ein Einzug in den Bundestag eine besondere Genugtuung für sie wäre, verrät Nyke Slawik im Interview mit unserer Redaktion.

Bundestagskandidatin Nyke Slawik (Grüne): „Mir würde das schon eine gewisse Genugtuung geben“

Frau Slawik, fast die erste Reaktion ihrer Mutter auf Ihren Listenplatz 11, der praktisch sicher Ihren Einzug in den Bundestag bedeutet, war die Frage nach einem Rezept. Ein Screenshot des WhatsApp-Dialogs von Ihnen beiden sorgte für Lacher bei Twitter-Nutzern. Wieso hat Ihre Mutter denn so selbstverständlich auf Ihre Nominierung reagiert, als wäre es etwas Alltägliches?

Meine Mutter wusste natürlich im Vorfeld Bescheid über meine Kandidatur und unterstützt mich auch da sehr. Ich bin sehr dankbar, dass ich eine Mutter habe, die mir häufig sagt, dass sie stolz auf mich ist und dass sie sich freut, dass ich mich so in der Politik engagiere. Deswegen hatte meine Mutter auch ein bisschen mit der Nachricht gerechnet. Ich musste dann sehr, sehr schmunzeln, als sie dann direkt im nächsten Atemzug nach dem Rezept für das Bananenbrot fragte. Der Tweet hat viele Likes bekommen, ich glaube weil sich viele Menschen darin wiedererkannt haben in der Beziehung zu ihren Eltern.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Twitter der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Als Direktkandidat für den Bundestag bekommen Sie es im Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim ausgerechnet mit Karl Lauterbach von der SPD zu tun, der seit der Corona-Krise bundesweit ins Rampenlicht rückte. Eine ziemliche Herausforderung! Wie wollen sie das angehen?

Ich habe es mit Karl Lauterbach, aber auch Staatssekretärin Serap Güler von der CDU zu tun. Karl Lauterbach ist ein sehr profilierter und hoch angesehener Gegner, den ich als Politiker auch sehr schätze. Ich mache den Menschen in Leverkusen und Köln-Mülheim aber ein ganz anderes Angebot mit meinen Themen und meiner Biografie als junge Frau und trans Person. Ich setze mich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Thema Klimaschutz ein. Herr Lauterbach sitzt seit 2005 als SPD-Abgeordneter im Bundestag, 12 Jahre davon gehörte seine Partei der Bundesregierung an und hat nicht wahnsinnig viel im Bereich Klimaschutz geleistet.

————

Wahlkreis Leverkusen – Köln IV: Muss Karl Lauterbach um Direktmandat zittern?

  • Seit 2005 konnte Karl Lauterbach (SPD) den Wahlkreis viermal hintereinander gewinnen.
  • Bei der Wahl 2017 holte er 38,7 Prozent der Erststimmen.
  • Besonders knapp, nämlich nur zwei Prozentpunkte, war 2013 sein Vorsprung auf den CDU-Kandidaten Helmut Nowak.
  • Wenn Nyke Slawik ihm Stimmen im linken Lager abnimmt, könnte es eng werden für Lauterbach gegen CDU-Herausforderin Serap Güler.

————

Sie sind Spitzenkandidatin der Grünen Jugend in NRW, vernetzt auch mit der „Fridays for Future“-Bewegung. Viele junge Menschen setzen nun große Hoffnungen in die Grünen. Wie wollen Sie es schaffen, diese Klimaschutz-Aktivisten nach der Wahl nicht zu enttäuschen, etwa wenn es in einer schwarz-grünen Regierung nur langsam und mit zähen Kompromissen vorangeht?

Wir erleben gerade als Grüne Jugend einen großen Zulauf an Menschen, die bei uns mitmachen wollen. Wir haben wahnsinnig viele neue Mitglieder. Wenn ich an die Demonstrationen denke, die ich teilweise auch mitorganisiert habe und wie groß das alles geworden ist, glaube ich, dass wir gerade in Deutschland an einem „Breaking Point“ sind, an dem es vielen Menschen klar wird, dass es so nicht weitergehen kann. Es haben sich in der Gesellschaft wirklich starke Mehrheiten gebildet, etwa für den Kohleausstieg. Wir werden als Grüne Jugend alles dafür tun, dass wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen und dass die Grünen diesen Politikwechsel einleiten.

Also haben Sie keine Sorge, dass die Grünen sozusagen entzaubert werden? Dass die großen Versprechen nicht erfüllt werden und gerade die Fridays for Future-Jugend ernüchtert reagieren könnte?

Wir können am Ende natürlich nur so viel umsetzen, wie wir Unterstützung von den Wählerinnen und Wählern bekommen. Das ist ganz klar. Das kommunizieren wir auch. Deswegen ist es so wichtig, weil wir jetzt in Umfragen fast auf Augenhöhe mit der Union liegen, dass die Menschen diesen Herbst die Wahl haben, wen sie ins Kanzleramt schicken möchten. Ist es die Union, die 16 Jahre lang dieses Amt innehatte, die jetzt mit vielen Korruptionsfällen aufgefallen ist, die in den Themenblöcken Klimaschutz, aber auch sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechte ein absoluter Bremsklotz ist? Oder wollen sie uns Grüne ins Kanzleramt schicken? Das wäre dann der Punkt, wo wir wirklich was verändern können. Als Vertreterin der Grünen Jugend würde ich mir natürlich sehr wünschen, dass wir die Union in die Opposition schicken und eine grün-geführte Bundesregierung ohne CDU/CSU auf den Weg bringen. Aber möglich machen können das nicht wir Grünen alleine. Das müssen die Wählerinnen und Wähler entscheiden.

+++ Interview mit Thomas Kutschaty (NRW-SPD): „Stahlarbeiter und ,Fridays for Future‘ können zusammen demonstrieren gehen“ +++

Wären Sie als Feministin eigentlich sehr enttäuscht, wenn Robert Habeck der grüne Kanzlerkandidat werden würde und nicht Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin?

Feminist oder Feministin kann man ja auch unabhängig vom Geschlecht sein. Robert Habeck ist auch ein großer Feminist und brennt für die Themen. Er hat auch immer wieder gesagt, dass Annalena Baerbock den ersten Zugriff hat auf den Posten. Wir haben die glückliche Situation, dass wir zwei Top-Leute an der Spitze haben. Ich bin bei beiden einfach froh, dass wir eine realistische Chance aufs Kanzleramt haben, unabhängig wer es jetzt werden wird.

Wenn am Ende doch Schwarz-Grün herauskommt, also mit der Union vorne, welcher Kanzler wäre Ihnen dann lieber: Armin Laschet oder Markus Söder? Herrn Laschet kennen Sie schon recht gut als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landtag von NRW…

Das ist extrem schwierig, weil ich beide auf ihre Art für extrem ungeeignet halte. Armin Laschet ist ein absolutes Desaster, was das Klimathema angeht. Es gibt keinen Politiker in Deutschland oder Europa, der uns so stark ausgebremst hat. Armin Laschet hätte die Chance gehabt, uns in Deutschland mit dem Kohleausstieg zu befrieden, aber die CDU und vor allem er als treibende Kraft haben das verhindert. Wir haben jetzt weitere 17 Jahre Kohleverstromung, was uns natürlich meilenweit von den Klimazielen entfernt. Mit Markus Söder habe ich das Problem, dass ich ihn für einen Populisten halte, der mit der Stimmung springt. Weil jetzt das Thema Klimaschutz en vogue ist, sieht man ihn auf Fotos, auf denen er Bäume umarmt. Aber wenn man ein paar Jahre zurückdenkt, da ist Söder mit geradezu fremdenfeindlichen Äußerungen aufgefallen und hat sich dafür eingesetzt, dass Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden und Schulen aufgehängt werden und hat sich damit ablichten lassen. Er steht nicht für Aufbruch, ganz im Gegenteil.

Sie werden im Bundestag ziemlich sicher auch auf AfD-Abgeordnete treffen. Bereiten Sie sich darauf vor, dass Sie dort täglich Menschen begegnen werden, die Ihnen in Ihrer Identität als trans Frau ablehnend, vielleicht sogar feindselig gegenüberstehen?

Ich bin seit ich 15, 16 bin aktiv in der Grünen Jugend und habe in all diesen Jahren immer wieder aus verschiedenen Richtungen, nicht nur aus der ganz rechten Ecke, Anfeindungen und transfeindliche Ressentiments erlebt. Ich habe da mittlerweile eine dicke Haut entwickelt. Es ist traurig, dass viele Menschen, die in Deutschland einer Minderheit angehören, auf eine dicke Haut angewiesen sind, aber das ist so. Mir würde das natürlich schon eine gewisse Genugtuung geben, dass die Menschen, die so aktiv gegen Minderheiten hetzen, einfach damit konfrontiert sind, dass ich im Bundestag mit am Tisch sitze und wir als trans Personen diesen historischen Wandel vollziehen. Auch repräsentativ für andere Minderheiten. Dass die Zeiten endlich vorbei sind, in denen Menschen, die einer vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft angehören, über andere entscheiden können.

Das Interview führte Marcel Görmann