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Polizei, Fluglinie, Bank – Welche Chefs Tattoos akzeptieren

Polizei, Fluglinie, Bank – Welche Chefs Tattoos akzeptieren

Die Bundespolizei hat jüngst vor Gericht Recht bekommen, weil sie eine Bewerberin wegen eines Tattoos abgelehnt hatte. In vielen Branchen sind Tattoos nach wie vor Karrierehindernis – aber längst nicht mehr in allen. Auch im öffentlichen Dienst ist zu hören: „Wir passen uns dem Zeitgeist an“.

Essen. 

Tattoos, das sind „Zeichen eines gesteigerten Erlebnisdrangs“, zudem Ausdruck einer „überzogenen Individualität“. So hat es das Verwaltungsgericht Darmstadt kürzlich auf die Klage einer Polizei-Bewerberin festgestellt, der ein tätowierter Satz aus dem Buch „Der kleine Prinz“ auf ihrem rechten Unterarm einen Strich durch ihre Karriereplanung bei der Bundespolizei gemacht hat. Zu recht, urteilten die Richter: Ein derart sichtbarer Körperschmuck widerspreche dem Gebot der Neutralität bei Polizeibeamten. „Damit macht der Spießer-Staat keinen Stich“, bemängeln Kritiker. Doch es zeichnet sich ab, dass es in manchen Branchen und bei manchen Arbeitgebern einen Sinneswandel gibt.

Sind Tattoos ein Karrierehindernis? Sie sind zumindest mittlerweile sehr weit verbreitet, sodass Unternehmen je nach Branche manchen Körperschmuck mittlerweile tolerieren, berichtet Norbert Woehlke, stellvertretender Geschäftsführer im Bereich Berufsbildung bei der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. „Wir erleben einen Wandel, es ist in der Ausbildung mittlerweile akzeptierter“. Gleichwohl rät Woehlke Bewerbern nach wie vor davon ab, allzu verziert und freizügig bei Vorstellungsgesprächen aufzutauchen: „Ein Tattoo oder ein Piercing ist selten ein Vorteil“, meint er.

Unternehmen passen sich dem Zeitgeist an

Laut einer Studie sind fast acht Millionen Menschen in Deutschland tätowiert. Längst vorbei sind die Zeiten, als Tattoos „nur in Seefahrer- und Sträflingskreisen anzutreffen“ waren – so hat es selbst das Verwaltungsgericht Darmstadt festgestellt. Beim Personaldienstleister DIS AG in Düsseldorf beobachtet auch Markus Rasche, Leiter des Bereichs Personal- und Organisationsentwicklung „eine Anpassung an den Zeitgeist“ bei Unternehmen. „Selbst bei uns sind Mitarbeiter, die Tattoos tragen“, sagt Rasche. Tattoos seien „über alle gesellschaftlichen Bereiche ein Trend“. Gleichwohl, in „traditionsreichen Branchen“, etwa bei Versicherungen oder Banken, seien Tattoos – je nach Ort und Stelle am Körper – nach wie vor eher nicht erwünscht. Bei DIS vermittelt man Fach- und Führungskräfte für Industrie, IT, die Finanzbranche und das Büro-Management.

Beim Stahlkonzern ThyssenKrupp in Essen gibt es „natürlich keine Vorgaben zu Tätowierungen, Frisuren oder dem Aussehen generell. Das wäre schließlich ein Eingriff in die persönliche Freiheit des Einzelnen“, sagt Unternehmenssprecherin Heike Neumeister. „In einem so diversen Industriekonzern wie ThyssenKrupp sehen wir eine große Vielfalt. Wir tolerieren die nicht nur, wir wünschen sie uns“. In punkto Körperschmuck vertraue man „auf das Feingefühl und Pflichtbewusstsein, dem Arbeitsplatz und den Vorgaben der Arbeitssicherheit entsprechend angemessen aufzutreten“

Caritas wirbt für sich mit einem Tattoo- und „Flesh-Tunnel“-Träger

„Bei Bewerbungen entscheiden Qualifikation und Persönlichkeit, nicht Tattoos“, sagt Hans-Jürgen Heck, Sprecher beim Krankenhauskonzern Sana. Vorgaben für Körperschmuck „gibt es nur für Mitarbeiter im medizinischen Bereich. Hier richten wir uns nach den Empfehlungen des Robert Koch Institutes und der Gesellschaft für Krankenhaushygiene“. Ansonsten habe man auch für Ärzte oder Pflegekräfte in punkto Tätowierungen „keine Vorgaben“ – sofern es sich nicht um verbotene Symbole handle: „Tattoos mit strafrechtlicher Relevanz akzeptieren wir selbstverständlich nicht“, sagt Heck.

Die Caritas wirbt sogar in einer Image-Kampagne für sich mit einem reich verzierten Mitarbeiter. Die Kampagne läuft unter dem Titel „Caritaeter mit Profil“. Caritas-Sprecherin Claudia Beck räumt aber ein, sie habe „bei der Vielzahl der Einrichtungen und Dienste der Caritas bundesweit“ keinen Überblick, wo es vor Ort möglicherweise Diskussionen wegen Tattoos, Piercings und Co gebe.

Hotelkette bittet Mitarbeiter, Tattoos zu verdecken

Über die Fluglinie Deutsche Lufthansa wird von ganz rigiden Vorgaben berichtet: Angeblich würden bei Flugbegleitern Tattoos auch da nicht toleriert, wo sie von der Dienstbekleidung verdeckt sind. Das Unternehmen selbst ist mit seinen Angaben knapp: „Tattoos und Piercings dürfen nicht sichtbar sein“.

In Hotels ist das äußere Auftreten von Beschäftigten von sehr hoher Bedeutung. Die Düsseldorfer Kette Lindner Hotels hat das sogar in einem Mitarbeiterhandbuch detailliert notiert: „Für Damen und Herren gilt gleichermaßen: keine sichtbaren Piercings, keine auffällig sichtbaren Tattoos“, sagt Sprecherin Catherine Bouchon. In dem Handbuch heißt es unter anderem: Schmuck sollte „aus Gold oder Silber sein“. Das Tragen von Plastikketten, bunten Schmuckketten und Fußketten „sollte auf die Freizeit verlegt werden“. Und: „Andere sichtbare Piercings an Ohren (die über einen Ohrring pro Seite hinausgehen), Nase, Augenbrauen etc. bitten wir abzulegen! Ebenfalls bitten wir Sie, Tätowierungen durch das Tragen von blickdichter Kleidung zu verdecken.“

Deutsche Bank will bei Körperschmuck „keine Vorgaben“ haben

Bankmitarbeiter mit sichtbaren Tattoos? Für Kunden wäre das aus Sicht der Deutschen Bank wohl zu wild. Eine Sprecherin versichert jedoch: „Wir haben keine Vorgaben“. In Bezug auf das äußere Auftreten der Mitarbeiter hätte sich jedoch „eine Norm herausgebildet“. Die Mitarbeiter orientierten sich daran, „was die Kunden erwarten“. Ob tätowierte Bewerber bei der Deutschen Bank eine Chance hätten, mag die Sprecherin nicht direkt beantworten: „Wir schauen in erster Linie auf die fachliche Qualifikation und auf die persönlichen Eigenschaften von Bewerbern“. Die Postbank verweist auf die Dienstkleidung – bei Männern Anzug mit Hemd und Krawatte, bei Frauen Hosenanzug oder Bluse und Rock – der Beschäftigten in den Kundencentern. Sofern Tattoos dadurch verdeckt würden, seien sie kein Thema.

Bei der Stadt Essen heißt es aus dem Personalamt, „wir haben bisher keine Probleme wegen Tattoos“. Es gebe „keine verbindlichen Festlegungen“ zum Körperschmuck von Bediensteten und Bewerbern. Auch bei der Stadtverwaltung in Duisburg versichert ein Sprecher, „grundsätzlich sind wir tolerant“. Tattoos seien „kein grundsätzliches Ausschlusskriterium“ bei Bewerbern für eine Stelle bei der Stadt. Allerdings hänge dies auch davon ab, für welchen Beruf man sich bewerbe. Bei Kundenkontakt sei man gegenüber Tattoos bei Bediensteten eher zurückhaltend, gibt der Sprecher zu verstehen.

Tattoos an sichtbaren Körperstellen werden für manche Träger zum Problem

Dass Tattoo-Fans wegen ihres Körperschmucks berufliche Nachteile etwa bei der Bewerbung für einen Ausbildungsplatz befürchten, hört der Hautarzt Dr. Klaus Hoffmann, immer wieder von seinen Patienten. Hoffmann ist Leiter der Abteilung für ästhetische operative Medizin an der Uni-Hautklinik Bochum und Experte für das Entfernen von Tattoos. Jeder zehnte Tattooträger hat den Wunsch, sein Tattoo zu entfernen – oft mache aber das Motiv zu schaffen, sagt Hoffmann: Etwa wenn die Freundin längst die „Ex“ ist, aber noch ihr Name auf dem Oberarm prangt. Und: „Kleine Tattoos an sichtbaren Körperstellen stehen klar im Vordergrund bei der Entfernung“.

Tattoos unter Kleidung zu verstecken, ist laut Thomas Sembt derzeit ‚out‘: „Im Trend liegen Tattoos an Hals und auf der Handoberfläche“. Sich dort verzieren zu lassen, sei „eine äußerst schmerzhafte Prozedur“, sagt Sembt, Initiator der Plattform Doc Tattooentfernung.de.

Gerade solche besonders sichtbaren Tattoos sind bei Polizei und Bundeswehr ein Tabu. „Tätowierungen und Piercings im sichtbaren Bereich (Maßgeblich hierfür ist die Anprobe des Diensthemds kurz) sind nicht zulässig“, schreibt etwa die NRW-Polizei vor. Eine Polizeibewerberin hatte jedoch jüngst vor dem Oberverwaltungsgericht NRW in Hamm das Land in diesem Punkt in die Schranken verwiesen. Es ging um die Zahl „13“, die die Frau hinter ihrem linken Ohr tätowiert hat. Die Polizei lehnte ihre Bewerbung ab – weil das Tattoo nicht durch die Uniform verdeckt werde. Die Richter verfügten, dass die Behörde die Entscheidung nochmal überdenken müsse. Die Zahl 13 sei nicht verfassungsfeindlich und widerspreche auch sonst nicht der geforderten Neutralität von Polizeibeamten.

Was Chefs den Arbeitnehmern in punkto Frisur, Kleidung und Körperschmuck vorschreiben können.