Angst und Verunsicherung herrschen bei Eon. Am Donnerstag stellte sich Eon-Chef Johannes Teyssen den Mitarbeitern von Eon in Düsseldorf und Ruhrgas in Essen. Details zum geplanten Stellenabbau gab er nicht preis. Das Bangen um die Existenz geht weiter.
Essen.
Die Ruhrgas-Zentrale glich gestern einem Hochsicherheitstrakt. Security-Personal bewachte den gläsernen Neubau an der Essener Messe, Polizisten patrouillierten rund um das Gelände der Eon-Tochter. Nur mit Ausweis durften die Mitarbeiter die Sicherheitsschranke zum Foyer passieren.
Eon-Chef Johannes Teyssen wollte persönlich nach Essen kommen, um seine Angestellten über die seit Tagen in den Medien kursierenden Pläne des Energiekonzerns zu informieren. Zuvor hatte er vor mehr als 500 Mitarbeitern im Robert-Schumann-Saal der Düsseldorfer Konzernzentrale gesprochen. Die Stimmung sei von Verunsicherung und Angst geprägt gewesen, berichteten Beobachter später. „Teyssen hat den Standort genauso auf den Prüfstand gestellt wie alle anderen. Damit ist auch Düsseldorf angezündet“, erzählte ein Teilnehmer.
Am Tag zuvor hatte Eon-Chef Teyssen Journalisten in einer Telefonkonferenz mitgeteilt, womöglich bis zu 11 000 der weltweit rund 82 000 Arbeitsplätze des Unternehmens Eon abbauen zu wollen, vor allem in der Verwaltung. Beim erfolgsverwöhnten Branchenprimus sind derart heftige Einsparungen bei den Mitarbeitern eine völlig neue Erfahrung.
Betriebsbedingte Kündigungen sind bei Eon nicht ausgeschlossen
Betriebsrat und Gewerkschaften sind alarmiert, zumal nach ihren Angaben mehr als die Hälfte der Stellen in Deutschland wegfallen soll. Die Zahl von 50 bis 60 Prozent habe Vorstandsmitglied Bernhard Reutersberg selbst genannt, bekräftigte der Konzernbetriebsrats-Vorsitzende Hans Prüfer gestern noch einmal. Die Arbeitnehmervertreter befürchten eine Schließung von Eon-Standorten in München, Hannover – und eben der Essener Ruhrgas. Beharrlich betont Teyssen dieser Tage, auch betriebsbedingte Kündigungen seien bei Eon nicht ausgeschlossen, zumindest wenn Ende 2012 entsprechende Garantien auslaufen.
Prüfer versteht dies als „Kampfansage“ des Eon-Chefs. „Wir sind entsetzt, wie sich das Unternehmen präsentiert“, sagte Prüfer der WAZ-Mediengruppe. „Angesichts der nach wie vor zu erwartenden Milliardengewinne im Konzern wären betriebsbedingte Kündigungen ein Tabubruch.“ Der Betriebsratschef war nach eigenen Worten vom Vorstand nicht zu den Veranstaltungen in Essen und Düsseldorf eingeladen worden. „Anstand zählt hier offenbar nicht mehr“, äußerte er sich empört.
Großer Andrang bei Ruhrgas
Nicht in einer Limousine, sondern im schwarzen VW-Bus mit verdunkelten Scheiben fährt Teyssen schließlich am Nachmittag um kurz nach drei vor der Ruhrgas-Zentrale in Essen vor. „Der Vorstand versteckt sich nicht“, hatte Teyssen angekündigt. Vielleicht wählt er auch deshalb den von Journalisten belagerten Haupteingang – und nicht den diskreten Weg durch die Tiefgarage. Er versteckt sich zwar nicht, eilt aber von Sicherheitsleuten abgeschirmt ins Gebäude. Auf die Fragen der wartenden Journalisten, in wie fern Ruhrgas von den Umstrukturierungen betroffen sei, der Standort vielleicht sogar geschlossen werde, antwortet Teyssen: „Das geht doch nur die Mitarbeiter etwas an.“
Die lauschen ihrem obersten Eon-Chef anschließend mehr als zwei Stunden im riesigen Foyer der Firmenzentrale. Mit einem Andrang von mehreren hundert Mitarbeitern hatte man bei Ruhrgas anscheinend nicht gerechnet, die Stühle reichen nicht aus, viele müssen stehen. Denn nicht nur Ruhrgas-Angestellte sind zu dem kurzfristig angesetzten Termin gekommen, sondern auch rund 200 Mitarbeiter der Essener Ruhrgas-Tochter Open Grid Europe.
Wochenlanges Bangen für Eon-Mitarbeiter
Doch Teyssen verbirgt seine Pläne anscheinend nicht nur vor der Presse, sondern auch vor den eigenen Mitarbeitern. Ein Ruhrgas-Angestellter, der ihm gelauscht hat und nach knapp zwei Stunden das Gebäude verlässt, nennt dessen Äußerungen „unklar“. Arbeitsgruppen sollten nun eingerichtet werden, mehr habe Teyssen nicht zur Zukunft von Ruhrgas gesagt. Aber dass der Vorstandschef persönlich nach Essen gekommen sei, habe ihm gezeigt, wie ernst die Lage sei. Die Mitarbeiter seien während des Belegschaftstreffens „gereizt, nervös und angespannt“ gewesen. Sie bangten um ihre Existenz.
Ein Bangen das möglicherweise noch Wochen lang erhalten bleibt. Denn Eon will Details zum Stellenabbau erst im Herbst bekannt geben.