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Gruppenvergewaltigungen in Essen – Oberstaatsanwältin Milk erklärt: Darum haben wir die Öffentlichkeit nicht vor der Bande gewarnt

Gruppenvergewaltigungen in Essen – Oberstaatsanwältin Milk erklärt: Darum haben wir die Öffentlichkeit nicht vor der Bande gewarnt

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Oberstaatsanwältin Anette Milk (r.) erklärt, warum es Wochen dauerte, einen Haftbefehl gegen Dean Martin L. (l.) zu erwirken. Foto: Stefan Arend, Polizei Essen, Montage: DER WESTEN

Essen. 

Die brutalen Gruppenvergewaltigungen in Essen und Gelsenkirchen hinterließen Wut und Trauer. Aber auch Fragen sind geblieben. Hätten Essener Polizei und Staatsanwaltschaft mehrere Vergewaltigungen verhindern können?

Fakt ist: Als ein Opfer am 17. Januar Anzeige erstattete und die Vorgehensweise der Bande erklärte, erkannten die Behörden schnell: Es war die gleiche Bande, die mit der gleichen Masche schon zwei Wochen zuvor ein Mädchen vergewaltigt hatte.

Masche bekannt: Warum wurde die Öffentlichkeit nicht gewarnt?

Warum aber dauerte es nach dieser Erkenntnis fast einen Monat, bis Polizei und Staatsanwaltschaft am 14. Februar im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem Thema an die Öffentlichkeit gingen? Noch mindestens zweimal schlug die Bande zu, als den Behörden bereits klar war, dass die perfide Falle der Vergewaltiger mehrfach erfolgreich war.

Der Vorwurf wiegt schwer: Hätten die Taten am 21. und 24. Januar verhindert werden können, wenn man sofort öffentlich vor der Bande und ihrer Masche gewarnt hätte?

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„Natürlich kann auch im Nachhinein niemand mit Gewissheit sagen, ob die Taten vom 21. und 24. Januar hätten verhindert werden können, wenn die Öffentlichkeit gewarnt worden wäre“, sagt Oberstaatsanwältin Anette Milk gegenüber DER WESTEN.

Sie verteidigt das Vorgehen der Behörden: „Als erstmals ein Zusammenhang zwischen den Anzeigen vom 29. Dezember und 17. Januar hergestellt wurde, war das Bild von den Taten und der ‚Masche‘ der Gruppe gar nicht so klar, wie es heute für uns erkennbar ist.“ Ein Ermittlungsverfahren sei ein dynamischer Prozess, bei dem der Zuwachs von Erkenntnissen zu veränderten Einschätzungen führe.

„Hätte man seinerzeit die Ermittlungsergebnisse gekannt, die heute vorliegen, wäre man vielleicht zu einer anderen Einschätzung der Lage gekommen.“ Diese habe die Polizei aber erst erarbeiten müssen.

>> Warum wurde so spät Haftbefehl gegen Dean Martin L. erlassen?

Zunächst konnte laut der Oberstaatsanwältin „nur“ von zwei Taten ausgegangen werden. Von den vier Tatverdächtigen war einer sofort festgenommen worden, die Ermittlungen zur Identifizierung der anderen drei liefen auf Hochtouren. „Man ist damals davon ausgegangen, dass es nicht zu weiteren Taten kommen würde, weil die Festnahme des ersten Beschuldigten ja nicht unbemerkt geblieben sein konnte“, so Milk.

Doch es kam anders: Unbeeindruckt von der Festnahme ihres Komplizen vergewaltigten die anderen Mitglieder der brutalen Bande weiter.

Milk stellt jedoch auch die Frage, wovor die Behörden wirksam hätten warnen können. Denn in den beiden bis dahin bekannt gewordenen Fällen hatte einer der Täter die Mädchen in seinem Bekanntenkreis ausgesucht.

Der Lockvogel, wohl Dean Martin L., lud sie zu einer abendlichen Aktivität ein. Die Bande nutzte dann die Verabredung, um die Teenager zu entführen und stundenlang zu missbrauchen (hier mehr zur perfiden Masche). „Hätte es sich um ‚überfallartige‘ Taten an bestimmten Örtlichkeiten gehandelt, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit eine Warnung ausgesprochen worden. So war die Sachlage aber gerade nicht“, sagt Milk.

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