Das Abitur in NRW ist wenige Wochen her. Doch noch immer sorgt eine Aufgabe im Deutsch-Leistungskurs für Diskussionen. Die Schüler aus NRW sollten einen Text analysieren – so weit, so völlig normal. Doch die Autorin dieses Textes gilt als umstritten.
Es geht nicht weniger als um die Frage: Darf ein Text einer solchen Autorin überhaupt Teil der Abi-Prüfung in NRW sein, wenn in der Aufgabe nicht darauf hingewiesen wird, dass sie teilweise extreme islamistische Positionen vertritt?
NRW: Abitur-Schock! Mussten Schüler Text einer Islamistin analysieren?
In der Abitur-Aufgabe, die dieser Redaktion vorliegt, ist ein Textauszug aus dem Buch „Sprache und Sein“ (2020 erschienen) der Aktivistin und Bloggerin Kübra Gümüsay (33) aus Hamburg Gegenstand einer Analyse. Die Prüflinge sollten am 27. April 2022 diskutieren, inwieweit die Sprache Wahrnehmung, Denken und auch Politik beeinflusst. Brisant: Gümüsay ist nicht irgendwer, ihr wird immer wieder Nähe zu islamistischen Lobbygruppen nachgesagt. So soll sie sich im Umfeld des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) bewegen, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
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Das ist Islamismus bzw. der politische Islam:
- wird auch „radikaler Islam“ genannt
- Streben, im Namen Allahs eine allein religiös legitimierte Gesellschafts- und Staatsordnung zu errichten
- richtet sich gegen die Prinzipien des Laizismus (Trennung von Staat und Religion), Individualität, Volkssouveränität, Gleichstellung der Geschlechter und Religions- und Meinungsfreiheit
- zutiefst antisemitisch
- es wird unterschieden zwischen Gruppierungen, die ihre Ziele friedlich durchsetzen wollen, und radikalen Strömungen, die Gewalt und Terror als Mittel anwenden
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Zudem hatte Gümüsay für Aufsehen gesorgt, als sie vorgeschlagen hatte, in deutschen Schulen neben Goethe auch den türkischen Dichter Necip Fazil Kisakürek zu behandeln. Das Problem dabei: Kisakürek ist antisemitisch-islamistisch, hatte dazu aufgerufen, religiöse und ethische Minderheiten wie Aleviten, Kurden und andere „Abweichler“ vom sunnitischen Islam „wie Unkraut auszureißen und wegzuwerfen“. Kisakürek ist zudem Lieblingsdichter des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan (68).
In der Erstausgabe von „Sprache und Sein“ stellte sie die provokant-rhetorische Frage, wie sich ihre „bilingualen Mitschüler*innen“ wohl entwickelt hätten, wenn sie nicht nur Schiller und Goethe gelesen hätten, sondern islamische Autoren wie Kisakürek.
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NRW: Gümüsay lehnt Distanzierung zu Erdogan und Milli Görüs ab
Kritiker werfen Gümüsay deshalb eine unreflektierte ideologische Nähe zu Erdogan, zur islamistischen Muslimbruderschaft sowie zu Milli Görüs (IGMG) vor – Gruppierungen, die laut Verfassungsschutz dem freiheitlich-demokratischen Denken der Bundesrepublik Deutschland gegenüber stehen. Gümüsay hatte eine Distanzierung zu Erdogan und zu Milli Görüs immer abgelehnt, kritisierte sogar 2012 offen, dass Milli Görüs überhaupt vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Kein Wunder: Am 18. März 2016 hatte sie selbst noch einen Vortrag bei Milli Görüs in München gehalten.
Dass das NRW-Schulministerium zulässt, dass Texte einer Autorin mit fragwürdiger politischer Einstellung behandelt werden, ist für Hasan Tuncer (32) ein Unding. Tuncer ist Integrationsratsvorsitzender von Mülheim, hat selbst türkische Wurzeln. Gegenüber dieser Redaktion sagt er: „Diejenigen, die die Prüfungen vorbereiten, sollten sich auch mit den Autoren der Texte auseinandersetzen. Schon 2013 ist Gümüsay aufgefallen, als sie Erdogan anlässlich einer UN-Konferenz als ‚best speaker, very critical, open and constructive‘ bezeichnete. Während der Gezi-Proteste von 2013 hatte sie getwittert, dass es zu Erdogans AKP keine Alternative geben würde. Bis heute sitzen unschuldige Menschen wegen Demonstrationen gegen Erdogan zu Unrecht im Gefängnis.“
NRW: Schulministerium wisse nichts von Verfehlungen Gümüsays – „Macht es sich einfach“
Tuncer kritisiert vor allem, dass das NRW-Schulministerium die Aktivitäten Gümüsays für fragwürdige Organisationen toleriere. Der 32-Jährige: „Neben Milli Görüs soll sie dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) nahestehen.
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Beide Organisationen kann man im Milieu des sogenannten ‚legalistischen Islamismus“ ansiedeln. Das IZH ist laut Verfassungsschutz ein Instrument der islamistischen iranischen Staatsführung.“
Diese Redaktion hat das NRW-Schulministerium mit den Vorwürfen konfrontiert: Ist bekannt, auf welchem politischen Feld sich Kübra Gümüsay bewege? Aus dem Schulministerium heißt es: „Abiturprüfungsaufgaben werden von einer Kommission aus erfahrenen Lehrkräften entwickelt und durchlaufen unterschiedliche Qualitätssicherungsmaßnahmen. Nach Wissen des Ministeriums hat sich die Autorin in ihren Schriften stets im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geäußert und selbst eine Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft verneint.“
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Darüber kann Mülheims Integrationsratsvorsitzender nur den Kopf schütteln. Hasan Tuncer: „Das Schulministerium macht es sich einfach. Die genannten Verbände sind zwar keine verbotenen Verbände – aus dieser Logik heraus bewegen sie sich auf freiheitlich-demokratischem Boden. Demnächst kann man aber auch Texte von Sympathisanten der NPD, der Identitären Bewegung oder der AfD für Aufgaben auswählen. Die sind schließlich auch nicht verboten.“