Nur noch wenige Tage bis zur insgesamt zehnten Europawahl. Mit der „Letzten Generation“ steht in diesem Jahr eine politische Vereinigung zur Wahl, die sich ursprünglich als reine Protestgruppe gegründet hat. Im Interview mit unserer Redaktion deutet Spitzenkandidatin Lina Johnsen an, dass diese Proteste auch in Brüssel stattfinden werden.
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Erst im Jahr 2021 hat sich die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ formiert und sorgte in Deutschland seitdem vor allem mit öffentlichen Blockaden und Störaktionen für Aufmerksamkeit. Ihre Forderung ist eindeutig: Das Pariser Klimaabkommen und das festgeschriebene 1,5-Grad-Ziel müssen eingehalten werden. Von einem Brüssel-Einzug der Spitzenkandidatin Lina Johnsen verspricht man sich auch das Aufleben des zivilen Ungehorsams im Europaparlament.
Europawahl: „Die Welt um uns herum verbrennt“
Eigentlich war es nie das Ziel der Aktivistengruppe, gen Brüssel zu streben. Doch die Tatsache, dass der Umweltschutz auf der EU-Agenda immer weiter nach hinten rutschen würde, wäre eine Aufforderung zur Aufstellung für die Europawahl gewesen.
„Wir haben schon immer gesagt, wir machen Protest, weil wir sehen, wie die Welt um uns verbrennt und überflutet und immer mehr Menschen sterben. Wir sehen, wie sich die Bundesregierung nicht an die Verfassung hält. Mit Gesprächen und Kompromissen sind wir in den letzten 50, spätestens aber 30 Jahre, seitdem wir über die Dramatik Bescheid wissen, nicht weitergekommen. (…) Wir tragen den Widerstand überall hin: auf die Straßen, in die Gerichte. Wir wollen uns eine lebenswerte Zukunft erhalten und stehen dafür mit unseren Gesichtern und Namen. Darum nehmen wir uns jede Bühne, die wir bekommen können. So auch die Bühne des Europaparlaments.“
Lina Johnsen, Spitzenkandidatin „Letzte Generation“, im Interview mit der Redaktion
Bereits der offizielle Wahlslogan der Vereinigung deutet an, worauf sich Brüssel – sofern die „Letzte Generation“ genug Stimmen aus der Bevölkerung erhält – einstellen muss.
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„Parlament aufmischen – Stimme der Letzten Generation“. Klingt nach konstanter Ruhestörung des Brüssel -Zirkusses. Im Interview erklärt Johnsen, dass die Aktivisten und Aktivistinnen trotz der Europawahl-Listung eigentlich gar keine politischen Ambitionen verfolgen. „Am Ende ist es uns gleich, ob wir da reinkommen oder nicht. Von Anfang an war die EU-Kampagne ein großer Erfolg. Jedes Wahlplakat, das von uns hängt, jeder Wahlspot und Radioslot, den wir gerade bekommen, wo wir die Message der Klimakatastrophe an die Gesellschaft transportieren können, ist ein Sieg.“
Letzte Generation: „Proteste sind kein Entertainment“
Das Kredo vor der Europawahl lautet also, Aufmerksamkeit schaffen durch zivilen Ungehorsam. Hierzulande hat man das in erster Linie durch das Festkleben auf Straßen oder öffentliche Farbanschläge geschafft. Die Kritik an den Protestaktionen wuchs, auch weil sie die breite Öffentlichkeit und nicht die politischen Personen treffen. Ein zusätzlicher Grund für die Umorientierung nach Brüssel – wobei die Umorientierung nur örtlich zu verstehen ist.
„Alles, was in der Vergangenheit bereits außerhalb des Parlaments gemacht haben, können wir uns auch im Parlament vorstellen. Aber ich möchte noch nicht zu viel vorweg nehmen, dafür muss man uns wählen und an Protest glauben. (…) Wir haben viele Ideen. Wir werden ab Tag eins einen Schlüssel haben und ich werde schauen, was sich da machen lässt. Der zivile Widerstand hat hunderte friedliche Protestformen, an denen wir uns bedienen werden.“
Lina Johnsen, Spitzenkandidatin „Letzte Generation“, im Interview mit der Redaktion
Klingt nach ordentlichem Gegenwind für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Co. Den Aktivismus zu reduzieren, nur weil es die größte institutionelle Ebene ist und möglicherweise höher Strafen drohen, hält Johnsen für falsch.
„Es ist genau die richtige Bühne, weil es hier die Verantwortlichen trifft. Über die letzten 1,5 Jahre haben wir krasse Energie aufgebaut und jetzt hatten wir die Möglichkeit durch die ganze Aufmerksamkeit und Entschlossenheit überhaupt erst auf diesem Wahlzettel zu landen. Auf dieser Bühne bekommen jetzt international alle davon mit, wie wir den Elefanten im Raum vor die Kamera zerren. Und dieser Elefant ist, dass die Regierungen sämtlicher Länder gerade dabei sind, alles aufs Spiel zu setzen.“
Auch wenn sich der ein oder andere Wähler etwas mehr Action im europäischen Parlament wünschen würde, mit Amüsement hätte die Wahl nichts zu tun. „Wir machen das nicht zum Entertainment. Die Proteste haben krasse persönliche Konsequenzen für viele Protestierende. Wir machen das ganz klar, weil wir sehen, dass wir in eine gefährliche Sackgasse fahren. Gleichzeitig sind viele Gruppen in der Gesellschaft unterrepräsentiert, vor allem diejenigen, die am wenigsten zur Klimakatastrophe beitragen und am ehesten darunter leiden.“
Zwar strebt die „Letzte Generation“ laut eigenen Angaben nicht nach politischem Erfolg bei der Europawahl – einem Einzug ins Parlament hätten sie aber nichts entgegenzusetzen. Erst dann würde der Protest seine volle Wirkung entfalten.