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Bauern-Proteste: Viel Lärm um wenig! Ohne Traktoren wären es „stinknormale Demos“

Mit Traktoren legen die Bauern das Land lahm. Es sind vor allem ihre Fahrzeuge, die Eindruck und Wirbel machen. Ist das gerechtfertigt?

Nur die Traktoren machen den Unterschied: Bauern-Proteste.
© IMAGO/Future Image

Robert Habeck wendet sich in Videobotschaft an protestierende Landwirte

Unter die Demonstrierenden Landwirte mischen sich vereinzelt auch Rechtsradikale und Demokratiefeinde. Dazu bezieht Wirtschaftsminister Robert Habeck in einer Ansprache Stellung.

Es sollten Proteste werden, wie sie „das Land noch nie erlebt hat“, verkündete Bauernverband-Präsident Joachim Rukwied. Manch einer träumte gar von einem Generalstreik gegen die Ampel. Zu Beginn der Aktionswoche gegen die Subventionskürzungen bleibt festzustellen: Nur durch die Mithilfe ihrer Traktoren sorgten die Bauern für einigen Wirbel.

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Schaut man sich die Teilnehmerzahlen an, fielen die Demonstrationen vielerorts überschaubar aus.

Ohne Traktoren vielerorts nur Klein-Demos

Der Deutsche Bauernverband selbst spricht von rund 100.000 Traktoren, die bundesweit auf den Straßen unterwegs waren und für massive Verkehrsbehinderungen sorgten. Vielerorts schlossen sich auch Spediteure und andere an, so dass auch Lkw und weitere Begleitfahrzeuge unterwegs waren.

  • In München spricht die Polizei von rund 5.500 Traktoren, der Bayerische Bauernverband schraubt die Zahl auf 7.000 hoch.
  • In Köln sollen es beim Protest am Montag bis zu 700 Fahrzeuge gewesen sein.
  • Vor dem Brandenburger Tor fanden sich bis zum Montagmittag laut Polizei etwa 1.300 Demonstranten und knapp 700 Fahrzeuge ein.

Hinzu kommen aufsehenerregende Aktionen in verschiedenen Regionen. Durch Blockaden vor Logistikzentren dürften in vielen Supermärkten besonders in den Folgetagen Waren fehlen (mehr dazu hier). Das VW Werk in Emden musste die Produktion lahmlegen, weil die Arbeitnehmer nicht in die Fabrik kommen konnten (weitere Infos auf News38.de).

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So groß waren andere Demos in Deutschland

Doch setzt man die Teilnehmerzahlen der Bauern-Proteste in Relation zu anderen Großdemos der jüngsten Vergangenheit, fällt etwas auf. So riesig war der Protest gar nicht! Vor allem, wenn man die Teilnehmerzahlen am Montag noch in Verhältnis setzt zu der großen medialen Berichterstattung im Vorfeld und den Mobilisierungsaufrufen in den sozialen Netzwerken.

So sollen am 20. September 2019 sage und schreibe 1,4 Millionen Menschen bei der größten Fridays for Future-Demo auf den Straßen gewesen sein. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 konnten die Klimaschutzbewegung 620.000 Menschen mobilisieren.

Hunderttausende Menschen gingen in den letzten Jahren zudem 2015 gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA, 2019 gegen die EU-Urheberrechtsreform sowie 2018 bei der #unteilbar-Demo gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu Demos im ganzen Land.

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Bauern-Proteste: „Ohne Traktor wäre dies ne stinknormale Demo“

Die Bauern-Proteste stechen nicht aufgrund der Teilnehmerzahlen hervor – sondern durch die Traktoren, die den Protestierenden weitaus mehr Macht und Möglichkeiten geben.

Das sehen auch viele kritische Stimmen im Netz so:

  • „Ohne Traktor wäre dies ne stinknormale Demo, wie sie in Berlin Alltag ist und von der niemand Notiz bekommt“ (Klimaaktivist Ingwar Perowanowitsch auf X)
  • „In Köln – eine der größten Bauern-Demos heute – sind es gerade mal 500! Jede Klima-Demo von Fridays for Future war größer. Die Bauern-Proteste erzielen ihre Wirkung allein durch ihre (subventionierten) Traktoren!“ (Journalist Jürgen Döschner auf X)
  • „Nur, um das immer wieder einzuordnen. 450 – darüber lacht Friday for Future. Dass haben die jeden Freitag in einer Kleinstadt organisiert. Das ist keine große Demo, die haben nur große Autos mitgebracht. Aber für Berlin-Verhältnisse lächerlich wenige Leute.“ (Kommunikations-Experte Pietsch auf X)

Es wird in den Folgetagen weitere Aktionen der Bauern geben. Sie werden dann wieder die Schlagzeilen bestimmen – doch steht das im Verhältnis zu ihrer wahren Stärke? Der Bauernverband argumentiert: Ohne uns würde es keine Lebensmittel im Land geben, wir übernehmen die Grundversorgung. Das gilt aber auch für andere Berufszweige, letztlich sind wir immer auf andere angewiesen. Was wären die Landwirte ohne Ärztinnen und Pfleger, was würden ihre Kinder ohne Lehrerinnen und Lehrer tun?


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Viele Bauern hatten jüngst Rekordgewinne

Allein aufgrund ihrer beruflichen Stellung lässt sich also auch nicht eine besondere Bedeutung ihrer Demonstrationen ableiten. Es sind vor allem die mächtigen Fahrzeuge, die für Eindruck sorgen. Mit diesem stemmen sie sich gegen finanzielle Einbußen durch Subventionsausfälle.

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Jedoch, auch das gehört zur Einordnung: Sie tun dies nach Rekordgewinnen in jüngster Zeit. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Höfe auf 115.400 Euro. Ein Plus von 45 Prozent! Die Agrardiesel-Subvention macht von den Gesamtgewinnen einen Teil von fünf bis sechs Prozent aus. Ist das Grund genug, um mit Traktoren das Land lahmzulegen?