„Bitte keine Hamsterkäufe“, appellierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an Eltern in seiner Pressekonferenz am Donnerstag (14. September). Konkret geht es um Medikamente für Kinder, wie etwa Fiebersäfte.
Denn auch, wenn es noch einige warme September-Tage gab, stehen der Herbst und der Winter kurz bevor. Mit der kalten Jahreszeit kommt damit üblicherweise auch die Erkältungszeit. Versicherte von AOK, Barmer, Techniker und Co. sind dann auf Medikamente angewiesen. Aber: „Gibt es genug Medikamente für kranke Kinder?“, fragt Tina Hassel den Gesundheitsminister in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.
AOK, Barmer: Hätte „fatale Folgen“
Das Bundesgesundheitsministerium forderte Ende August deshalb vom Großhandel „mehr Beschaffung und Lagerhaltung“ von dringlichen Kinderarzneimitteln. „Bei 85 Prozent dieser Produkte reichen unsere Bestände gerade mal für 14 Tage“, warnt Marcus Freitag vom Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels. Das zu erhöhen, gestalte sich im aktuellen Marktumfeld als schwierig, „weil wir von den Herstellern die Ware nicht so bekommen, wie wir sie benötigen“.
Noch brisanter sei die Situation bei lebenswichtigen Antibiotika, zeigt der „Bericht aus Berlin“. In Österreich befindet sich die letzte große Penicillin-Herstellung für Europa, ansonsten dominiert China den Markt. Doch die Produktion ist laut Pharmazie-Professorin Ulrike Holzgrabe aufgrund gestiegener Energiekosten gefährdet. Sollte dieser Standort wegfallen, hätte das „fatale Folgen“, so Holzgrabe. „China braucht eigentlich keine Atombombe mehr produzieren und auf uns zu werfen – es reicht auch, wenn es keine Antibiotika mehr liefert“.
Werden Arzneimittel knapp?
Lauterbach will die Herstellung von Antibiotika in der EU stärker fördern, so sollen neue Produktionsstandorte entstehen. „Wenn wir unabhängiger von China sein wollen, müssen wir die Produktionsanlagen auch mit bezahlen und keine kurzfristigen Lösungen finden“, meint Holzgrabe.
Wird es diesen Winter also eng mit wichtigen Medikamenten? Wird es eine Krise geben? „Garantieren kann man das nicht“, so Lauterbach im ARD-Gespräch. Wenn eine große Corona-Welle käme, wäre die Lage nochmal anders. Aber: „Hersteller haben die Produktion um 50 oder 100 Prozent erhöht, arbeiten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche“, erklärt der SPD-Politiker. Wenn es also zu keiner außergewöhnlich großen Infektionswelle komme, komme Deutschland über die Runden.
AOK, Barmer: Preise für Medikamente werden steigen
Die Hersteller sind, wie der ARD-Bericht zeigt, allerdings am Limit. Mehr produzieren geht nicht. Muss der Gesundheitsminister also gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Geld in die Hand nehmen, und Generika-Firmen subventionieren, um die Produktion nach Europa zurückzuholen?
Lauterbachs Antwort wird wohl viele erschüttern. „Es wird höhere Preise geben, wir sind in einer Marktwirtschaft.“ So werden die Preise für Generika, also Nachahmerprodukte von ehemals patentgeschützten Arzneimitteln, deutlich steigen.
Viele machen Lauterbach für höhere Krankenkassenbeiträge verantwortlich. „Die Wahrheit ist: Wir haben die Preisschraube bei den Generika überdreht, die Medikamente sind zu billig, dafür produziert in Europa niemand“, so der Gesundheitsminister. Das wolle er nun beheben.