Russland ist in Aufruhr. Eine explosive Mischung aus Gerüchten, Antisemitismus und offenbar Sorge vor einer geplanten Ansiedlung israelischer Flüchtlinge beherrscht die Schlagzeilen. Immer wieder kommt es zu heftigen antisemitischen Aufrufen und gewalttätigen Aktionen.
Doch während Russland in Unruhe versinkt, schweigt der russische Präsident Wladimir Putin und der Kreml zu den antisemitistischen Aufruhr.
Extreme Szenen in Russland
Neben dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erreichen uns weitere beunruhigende Bilder aus Russland. Am Flughafen von Machatschkala kam es zu einem chaotischen antisemitischen Vorfall, bei dem Demonstranten den Flughafen stürmten, um ein Flugzeug aus Israel zu erreichen. Sie seien auf der Suche nach Juden gewesen.
So riefen einige Demonstranten am Flughafen Machatschkala Parolen wie „Tod den Juden“, blockierten die Rollbahn und griffen Passagiere und Personal an. Dabei wurden 20 Personen verletzt.
Damit nicht genug: In Chassawjurt durchsuchte ein Mob ein Hotel nach angeblichen israelischen Flüchtlingen. In Naltschik wurde sogar ein im Bau befindliches jüdisches Kulturzentrum in Brand gesetzt.
Regionale Behörden im Regen stehen gelassen
Der US-amerikanische Think Tank „Institute for the Study of War (ISW)“ erklärt in seinem heutigen Update zum Krieg, dass es im Kreml auffallend ruhig bleibt. Zwar sei ein Telegram-Kanal, der für Protestaufrufe verantwortlich war, abgeschaltet worden – aber ob die Regierung dafür verantwortlich ist, sei unklar.
Die russische Regierung scheint sich vor allem auf den Angriff auf die Ukraine zu konzentrieren, während die regionalen Behörden versuchen, die Situation in Russland ohne klare Anweisungen von oben unter Kontrolle zu bringen, so ISW“.
Soziale Medien befeuern Stimmung in Russland
Soziale Medien sind in dieser Krise doppelt gefährlich. Sie heizen nicht nur die Gerüchteküche an, sondern mobilisieren auch wütende Massen. Doch bei allem Chaos und allen beunruhigenden Nachrichten ist es das Schweigen aus dem Kreml, das am meisten verunsichert. Es entstehe der Eindruck, so die „ISW“-Analysten, dass der Kreml die regionalen Behörden im Regen stehen lasse.
Diese angespannte Situation wird durch Putins jüngste Äußerungen, Russland sei ein „Leuchtturm religiöser Harmonie“, nur noch ironischer. Für die Juden im Land erscheint die Situation jedoch äußerst gefährlich. Ein Sprecher der Rabbiner in Dagestan rief deshalb alle Juden auf, die Region zu verlassen. „Russland ist nicht die Rettung“, sagte er. Und weiter: „Auch in Russland gab es Pogrome“.
Ausbreitung von antisemitischen Bewegungen
Russische Ultranationalisten, die bisher oft als Unterstützer Putins galten, äußern sich besorgt. Sie befürchten eine landesweite Ausbreitung antisemitischer Bewegungen. Ihre Sorge scheine aber weniger dem Schutz der jüdischen Gemeinschaft zu gelten, als der Möglichkeit antirussischer Bewegungen, die daraus entstehen könnten, so das „ISW“.
Das Schweigen des Kremls lässt für die Juden im Land viele Fragen offen. Der Ball liegt nun bei Präsident Putin – wird er ihn aufnehmen oder weiter schweigen?