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Annalena Baerbock spricht über großes Dilemma: „Müssen harte Entscheidungen treffen“

Die Initiative Frauen100 lud gemeinsam mit dem „Centre for Feminist Foreign Policy“ Politikerinnen aller Länder zum Austausch ein. Mit dabei: Außenministerin Annalena Baerbock.

Baerbock
Außenministerin Annalena Baerbock sprach am Freitagabend in München über feministische Außenpolitik. Foto: Isa Foltin/Getty Images

Sicherheitskonferenz in München. Politiker aus aller Welt finden sich in diesen Tagen in der bayerischen Landeshauptstadt ein, führen Debatten zu den drängendsten internationalen Sicherheitsrisiken. Natürlich mit dabei: Außenministerin Annalena Baerbock.

Baerbock nahm am Rande der Sicherheitskonferenz auch auf einer Veranstaltung des „Centre for Feminist Foreign Policy“ und der Initiative „Frauen100“ teil. Das CFFP, gegründet von Kristina Lunz und Nina Bernarding, ist eine gemeinnützige Forschungs- und Beratungsorganisation zu feministischer Außenpolitik. Das Netzwerk „Frauen100“ wurde von Janina Hell und Felicitas Karrer ins Leben gerufen, um einen branchenübergreifenden Austausch zu feministischen Themen und deren Umsetzung zu ermöglichen.

Vor Politikerinnen wie der kolumbianischen Vizepräsidenten Francia Márquez und den Friedensnobelpreisträgerinnen Oleksandra Matviichuk und Beatrice Fihn hielt Annalena Baerbock eine Rede, in der sie offen von den Herausforderungen berichtete, die ihr Job mit sich bringt. Am Beispiel Afghanistans machte sie deutlich, wie schwierig es manchmal sein kann, eine richtige Entscheidung zu treffen.

Annalena Baerbock über die aktuelle Lage in Afghanistan

„Ich würde gerne eins meiner größten Dilemmata dieser Tage teilen“, leitete Baerbock diesen Teil ihrer Ansprache ein. „Wenn wir nach Afghanistan blicken, sehen wir, dass Frauen von den neuen Machthabern alle Rechte weggenommen werden. Sie nehmen diesen Frauen ihr Leben – nicht, indem sie sie töten. Indem sie sie zwingen, zuhause zu bleiben, ihnen das Arbeiten und Studieren verbieten. Ihnen untersagen, das Haus ohne einen männlichen Begleiter zu verlassen.“ Baerbock fragt die rund 90 Gäste im Saal: „Was für ein Leben soll das sein?!“

Diese Verbote bringen es mit sich, dass sich Frauen in Afghanistan auch nicht an der Entwicklungshilfe beteiligen dürfen. Sie dürfen nicht mit anpacken, müssen die Arbeit den Männern überlassen. Ein Zustand, den Baerbock nicht hinnehmen möchte. Auch in Hinblick auf die Hilfen, die Afghanistan aus Deutschland erhält.

CFFP
Janina Hell, Nina Bernarding, Kristina Lunz, Felicitas Karrer (v.l.n.r.) Foto: Isa Foltin/Getty Images

Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat die Bundesregierung zwar ihre umfangreiche Unterstützung Afghanistans in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Stabilisierung ausgesetzt, engagiert sich aber weiterhin im Rahmen humanitärer Hilfe und Basisversorgung für die Menschen in Afghanistan.

„Wir müssen als internationale Gesellschaft harte Entscheidungen treffen“, berichtet die Politikerin. Am Beispiel Afghanistan ist es die Entscheidung, dem Land die Unterstützung weiterhin zur Verfügung zu stellen, oder sie einzustellen. Wählt man ersteren Weg, würden die Taliban genauso weitermachen wie bisher: die Rechte der Frauen weiterhin beschneiden, sie in ihren Häusern einsperren und ihre Menschenrechte mit Füßen treten. Allerdings wären die humanitären Hilfen für die afghanische Bevölkerung gesichert.

Der andere Weg wäre drastischer: keine Hilfe mehr aus Deutschland. Baerbock fragt: „Wie kann ich es als Außenministerin verantworten, die Hilfen einzustellen und so Hunderttausende Kinder dem Tode weihen?“

Baerbock hat sich Rat von Experten geholt. Von Außenministern anderer Staaten, der UN und Hilfsorganisationen. „Ich habe gefragt ‚was sollen wir tun?‘. Denn feministische Außenpolitik bedeutet für mich auch, nach Hilfe zu fragen“, erklärt die deutsche Außenministerin.

Außenministerin Baerbock weist Taliban in ihre Schranken

Nach vielen Gesprächen hat sie eine Entscheidung getroffen. Eine mutige, die viele Risiken mit sich brachte. „Wir werden die Regeln der Taliban nicht befolgen“, macht sie am Freitagabend in München deutlich. Denn: „Wir werden die Frauen, die sich in der humanitären Hilfe engagieren wollen, nicht nach Hause schicken. Unsere Entscheidung hat dazu geführt, dass auch die Taliban realisiert haben, dass sie dadurch Probleme bekommen. Ein Umdenken hat stattgefunden.“

Stolz macht Baerbock klar: „Und jetzt, in dieser Minute, dürfen Frauen endlich wieder auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe in Afghanistan arbeiten. Wir wissen nicht, ob das von Dauer ist. Aber mir hat diese Situation eins gezeigt: Wir müssen unsere Kräfte bündeln. Und den Herausforderungen ins Gesicht blicken.“