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Reichsbürger-Aufmarsch in der Stadt des „Lauterbach-Entführers“: Anwohner entsetzt

Im brandenburgischen Falkensee hat ein SPD-Bürgermeister die Stadthalle für den Wahlkampf-Aufritt des Quanon-Aktivisten Friedemann Mack vermietet. Anwohner sind entsetzt. Als Sitz der Redaktion des als rechtsextrem eingestuften Magazins Compact zieht die Stadt Verschwörungstheoretiker an.

© Imago / Chris Emil Janßen

Karl Lauterbach: Vom Corona-Mahner zum Gesundheitsminister

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist er einer der bekanntesten Politiker Deutschlands. Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Seit sich das Coronavirus immer breiter in Deutschland ausgebreitet hat, war Lauterbach Dauergast in den Talkshows von ARD und ZDF. Wir stellen dir den SPD-Politiker vor.

Falkensee liegt zwar nicht am Ende der Welt, aber man kann es von hier aus ziemlich gut sehen. Es sind nur 20 Autominuten von Berlin, doch zwischen schlichten Einfamilienhäusern aus der DDR-Zeit und gediegenen Stadtvillen mit Trampolinen im Garten scheint die Zeit stehengeblieben zu sein.

Doch der Schein trügt. Falkensee ist eine Stadt, die rasant gewachsen ist. Seit der Wende hat sich die Zahl der Einwohner auf 45.000 mehr als verdoppelt. Es sind vor allem Familien mit Kindern, die es hierherzieht: Viel Grün, Spielstraßen, und einen Badesee gibt es auch.

Das Doppelleben des Sven B.

Seit der Corona-Krise ist es jedoch mit der Ruhe vorbei. Bis zu 800 Menschen gingen montags gegen die „Corona-Diktatur“ auf die Straße. AfD-Anhänger spazierten Seite an Seite mit Sympathisanten der Linken. Einer von ihnen wurde im April 2022 vom SEK in seinem Einfamilienhaus überwältigt und verhaftet: Sven B.

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Seither ist in Falkensee nichts mehr, wie es mal war. Denn der 55-Jährige, ein zweifacher Familienvater und selbständiger Bilanzbuchhalter, entpuppte sich als militanter Reichsbürger. In seinem Keller fand die Polizei eine SS-Uniform und eine Kalaschnikow.

Umsturzpläne auf Telegram

B. war nicht allein. Zusammen mit 70 Verbündeten wollte er erst Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen, dann mit Sprengstoffanschlägen einen „Blackout“ provozieren und bürgerkriegsähnliche Zustände herstellen, um das System zu stürzen. So hatten sie es auf Telegram verabredet, in der extremistischen Chat-Gruppe „Vereinte Patrioten“.

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Ein Spinner, dachten die Ermittler erst. Doch dem ehemaligen NVA-Offizier B. und seinen Komplizen war es tatsächlich ernst mit ihren Umsturzplänen. Im Internet, so fand die Polizei heraus, sammelten sie schon Geld für Maschinengewehre und Minen.

Eine Radikalisierung wie im Lehrbuch

Sven B. ist ein Paradebeispiel für eine Radikalisierung, die der Verfassungsschutz im Milieu der Corona-Demonstranten beobachtet hat. Erst klebte er einen Aufkleber auf seinen Briefkasten und outete sich als „Impfgegner“. Bei den Demos vermengte sich der Protest gegen staatliche Corona-Maßnahmen mit Verschwörungsmythen und Antisemitismus.

Reichsbuerger
Beliebtes Hassopfer von Corona-Demonstranten: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Symbolbild). Foto: Imago / U.J. Alexander

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Silvia Schaak vom Falkenseer „Bündnis gegen Rechts“ sagt, sie sei schockiert gewesen, als sie von der Festnahme des Nachbarn erfuhr. Schaak wohnt seit 2014 mit ihrem Ehemann Tom in Falkensee. Sie sagt, was viele Anwohner sagen. Sie wolle nicht, dass der Ort zum sicheren Hafen für Reichsbürger, Rechtsextremisten und Querdenker werde.

Nach Ganser kommt Wodarg

Ganz unbegründet ist ihre Sorge nicht. Denn ausgerechnet in der Stadthalle von Falkensee treten seit Ende der Corona-Krise Männer auf, die Verschwörungstheoretiker aus der ganzen Bundesrepublik anziehen wie das Licht die Motten  — mit der Genehmigung des SPD-Bürgermeisters.

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Nach dem Schweizer Historiker Daniele Ganser, der hinter dem Attentat auf das World Trade Center eine konspirative Verschwörung der US-Regierung vermutet, kommt der Internist Wolfgang Wodarg. Von Corona-Leugnern wird er als Lichtgestalt gefeiert. Als einer der ersten Mediziner hatte er öffentlich behauptet, die Pandemie sei nur eine Grippe.

Kritik vom Antisemitismus-Beauftragten

An diesem Samstag (18.Februar) gehört die Bühne Friedemann Mack. Impfgegner kennen den Unternehmer aus Baden-Württemberg schon. Auf seinem eigenen Telegram-Kanal vermischt er krude Verschwörungstheorien mit politischen Nachrichten aus seriösen Medien.

Die Meldung von seinem Gastspiel hat Falkensee jetzt wieder in die Schlagzeilen katapultiert. Das „Bündnis gegen Rechts“ hat den Bürgermeister zur Absage der Veranstaltung aufgerufen. Die Falkenseer SPD will vor der Stadthalle gegen Mack demonstrieren. Sogar der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat sich zu Wort gemeldet.

Verfassungsschutz warnt vor Qanon

Mack, so die Kritik, verbreite auf seinem Telegram-Kanal immer wieder Verschwörungstheorien von Qanon. Nach dieser Erzählung wird die Welt von einem pädophilen Netzwerk von liberalen Globalisten, jüdischen Bankern und Politikern um Hillary Clinton regiert, das Kinder entführt, um aus ihrem Blut ein Verjüngungsserum zu gewinnen.

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Die Qanon-Ideologie sei „demokratiefeindlich“ und habe einen „antisemitischen Kern“, sagt Felix Klein. Der Verfassungsschutz in Brandenburg stuft sie als besonders gefährlich ein, weil sie „anschlussfähig für Reichsbürger“ sei und sämtliche Verschwörungstheorien unter einem Dach bündele.

Welche Rolle spielt „Compact“?

Der Verfassungsschutz hat dabei auch ein Magazin im Visier, von dem es heißt, dass es genau diesen Trend befördere. Es ist das als rechtsextrem eingestufte „Compact“-Magazin — herausgegeben von einer bekannten Vordenker der Neuen Rechten, der in einer hellblau getünchten Villa in Falkensee lebt: Jürgen Elsässer.

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Und hier schließt sich der Kreis. Offiziell wurde die Veranstaltung mit Friedemann Mack zwar von einer Frau angemeldet, die als Mitglied der Querdenker-Partei „Die Basis“ als neue Bürgermeisterin von Falkensee kandidieren will: Heike Stumpenhusen. Doch in Falkensee vermutet man, sie habe dabei von den Kontakten des Compact-Verlegers profitiert.

Die Veranstalterin legt den Hörer auf

Bei dem letzten Vortrag von Daniele Ganser am Totensonntag im November 2022 hatte „Compact“ seinen Verkaufstisch neben dem Tisch von Stumpenhusen. Die Veranstalterin wohnt gar nicht in Falkensee, sondern in einem Nachbarort. Sie hatte sich aber als Initiatorin der „Friedenslichter-Gebete“ in der Coronakrise einen Namen gemacht.

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Umstrittener Veranstaltungsort: Darf die Stadt Falkensee ihre Stadthalle Verschwörungsideologen zur Verfügung stellen? Foto: Imago / Steinach

Anruf bei Heike Stumpenhusen. Noch bevor man sie fragen kann, ob sie mit Elsässer zusammenarbeitet, hat sie „einen schönen Tag noch“ geflötet und wieder aufgelegt. Auch Falkensees Bürgermeister Heiko Müller (SPD) ist nicht zu sprechen.

Wahlkampfshow oder Party?

Dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) hatte er gesagt, er sei auch nicht glücklich über den Auftritt von Mack. Aber es sei eine Wahlkampfveranstaltung für eine Bürgermeister-Kandidatin. Und in Deutschland herrsche nun mal Meinungsfreiheit. Er habe rechtlich keine Möglichkeit, den Auftritt abzusagen.

Aber warum ist die Veranstaltung dann nicht öffentlich? Warum müssen Erwachsene für Karten 18 Euro zahlen? Und wieso verkauft Mack den Auftritt als „Meet- und Greet-Party“, Motto: „Feiern bis der Arzt kommt?“

Die AfD hat kein Problem mit Qanon

Die AfD in Falkensee hat damit kein Problem. „Solange Qanon nicht verboten ist, kann der Bürgermeister die Halle vermieten, an wen er will“, sagt der Vorsitzende des AfD-Ortsvereins, Heiko Prüwer auf Anfrage dieser Redaktion. „Oder bestimmt Rot-Grün jetzt schon, was erlaubt ist?“

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Das „Bündnis gegen Rechts“ bleibt alarmbereit. Corona sei vorbei, sagt Silvia Schaak. Der Impfgegner Mack brauche jetzt wohl ein neues Feindbild, um seine Anhänger bei der Stange zu halten. Offenbar will er in der Stadthalle Falkensee auch Neue dazu gewinnen: Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt.