Elterngeld ist ein Instrument der sozialen Sicherung, es soll für Eltern innerhalb des ersten Jahres nach einer Geburt einen „finanziellen Schonraum“ schaffen. Auch soll die Leistung die Erwerbstätigkeit für Mütter und die Teilhabe an der Kinderbetreuung durch Väter erleichtern.
Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat gemeinsam mit Aline Zucco in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie untersucht, inwieweit die Politik ihre Ziele erreicht hat. Der zuständige Betreuer der Studie, Eike Windscheid, erklärt im Gespräch mit DER WESTEN, ob diese erreicht wurden und an welcher Stelle noch Handlungsbedarf besteht.
Elterngeld hat positive Effekte für Mütter und Väter
Die Leistung erhalten Eltern für mindestens zwei Monate, bis zu 12 Monaten. Wenn beide Elternteile die Unterstützung nutzen, kann es auf bis zu 14 Monate ausgeweitet werden. Der monatliche Betrag wird abhängig vom Gehalt vor der Geburt individuell bestimmt und reicht von 300 Euro bis 1.800 Euro.
Meistens sind es 65 Prozent des Nettoeinkommens. Eltern mit geringem Verdienst erhalten bis zu 100 Prozent. Hat die Politik damit ihre Ziele, Familien zu unterstützen, erreicht? „Grundsätzlich kann man sagen, durchaus“, sagt Eike Windscheid im Gespräch mit DER WESTEN. Denn: „Das Elterngeld ist insgesamt ein wichtiges Instrument zur Förderung von Gleichberechtigung in Deutschland“.
So hat das Elterngeld mehrere positive Effekte: „Die Erwerbstätigkeit von Müttern ist gestiegen und es kommen positive Effekte auf das Lohnniveau von Müttern, wenn diese wieder in die Erwerbstätigkeit einmünden, auch Jahre später“. Windscheid betont weiter, dass auch mehr Väter das Elterngeld in Anspruch nehmen. „Bei der Einführung 2007 haben es 20 Prozent der Väter von allen geborenen Kindern genutzt, 2019 waren es mehr als 40 Prozent, es hat sich also mehr als verdoppelt“. Das Fazit der Studie sieht das ähnlich: Das Elterngeld trage dazu bei, dass sich Väter langfristig stärker bei der Kindererziehung einbringen, das entlaste die Partnerinnen und erhöhe ihre Karrierechancen.
Elterngeld: Wo besteht noch Handlungsbedarf?
Laut dem Betreuer der Studie gibt es auch „große Aber“. „Es ist eben ein Instrument unter vielen. Man darf es nicht separat sehen, es kann nicht nur für sich selber stehen, sondern muss im Konzert aller Institutionen funktionieren“, so Windscheid.
Daneben gebe es „tradierte Muster“, die weiterhin bestehen. „Eines davon ist zum Beispiel das Ehegattensplitting“. Windscheid fordert: „Deswegen müssen wir – wenn es um Gleichstellung geht – größer denken, dürfen uns nicht nur auf das Elterngeld fokussieren“. Die Autorinnen bescheinigen dem Elterngeld zwar „große Potenziale zur Verringerung geschlechterspezifischer Ungleichheiten am Arbeitsmarkt“, allerdings überwiege nach wie vor eine traditionelle Rollenteilung: „Die Mutter steigt zwölf Monate beruflich aus, der Vater zwei.“
Auch Windscheid sieht vor allem den Aspekt „partnerschaftliche Aufteilung von Sorgearbeit“ als verbesserungswürdig. „Das liegt daran, dass Väter zwar öfter Elternzeit in Anspruch nehmen, aber sehr viel weniger Monate als Mütter.“ Sein Verbesserungsvorschlag: „Um dem entgegenzuwirken, könnte man die Partnermonate ausweiten. Oder man erhöht die Lohnersatzleistung, wenn Partner das gleich aufteilen“.
Auch die Forscherinnen sprechen von einer „Dynamisierung“. Heißt: „Beide Eltern sollten für sieben Monate Anspruch auf 80 Prozent des vorherigen Nettolohns haben,
danach nur noch auf 50 Prozent.“ So schaffe man Anreize, dass auch Väter länger in Elternzeit bleiben.
Elterngeld: Muss das System umgestellt werden?
Die staatliche Unterstützung schafft es also noch nicht Mütter von der Sorgearbeit zu entlasten. „Aber es ist ein guter Ansatz und kann ausgebaut werden“, sagt Windscheid. Auch ist er der Meinung, das System müsste nicht überarbeitet werden, vielmehr müssten Stereotype in der Gesellschaft abgebaut werden.
Denn: Für Betriebe kostet eine Reintegration Zeit und Aufwand, letztendlich auch Geld. „Frauen sind einfach viel öfter davon betroffen, das ist die Unfairness. Das hängt nicht mit dem Elterngeld zusammen, sondern mit dem Umstand, dass man das dem Geschlecht zuschreibt“, so der Studien-Betreuer. Laut Windscheid müsste man die „Stärken stärken und die Schwächen angehen, die im Großen Ganzen liegen“.
Wie hoch müsste das Elterngeld sein?
Das Elterngeld gibt es nun schon seit 16 Jahren. „Seither gab es gar keine Anpassung nach oben. Also selbst ohne die aktuell herrschende und besonders hohe Inflation, entspricht das einem realen Kaufkraftverlust von 17 Prozent“, mahnt Windscheid.
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Der Betrag könnte sich also an dem „regulären Verbraucherindex orientieren, damit auch da ein größerer Anreiz vorhanden ist, das Elterngeld auch zu nutzen“. Sonst müsse man reale Verluste hinnehmen. „Das macht es natürlich auch unattraktiver, überhaupt Eltern zu werden, dann haben wir nichts gewonnen“, so der Leiter des Referats „Wohlfahrtsstaat und Institutionen der Sozialen Marktwirtschaft“ der Hans-Böckler-Stiftung.