Essen.
Ein Klassiker an der Uni Duisburg-Essen: „Lasst uns mal das Referat von zu Hause online bearbeiten, weil ich das mit dem Treffen nicht hinbekomme.“
Übersetzt heißt das: „Da ich noch im 1000 Kilometer entfernten Buxtehude bei meinen Eltern wohne, kann ich mich außerhalb meines schulischen Stundenplans nicht treffen. Nach 16 Uhr komme ich nämlich nicht mehr in mein Dorf.“
Der studentische Pendler: eine Spezies, die mich aggressiv macht. Denn die Gründe, die sie gerne für das Pendlertum anbringt, sind meiner Meinung nach absoluter Bullshit.
Außerdem ist es auch für alle anderen Studenten nervig: Nicht nur, dass das Pendelertier nie Zeit hat, sondern Studenten sollten schon einfach deswegen in ihrer Studienstadt wohnen, um sie lebendiger zu machen. Was ist eine Studentenstadt denn bitte ohne Studenten?!
Ich habe die bekanntesten Ausreden unter die Lupe genommen.
Ausrede 1: „Ich habe kein Geld, um auszuziehen“
„Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mir ein Zimmer leisten soll, wenn ich studiere und gleichzeitig arbeiten müsste“, ist die Standardausrede. Ernsthaft?
Natürlich ist es günstiger, wenn Mami zu Hause den Kühlschrank füllt, während man gemütlich nach der Uni im heimischen Kinderzimmer hockt – aber wie soll man dann denn bitte Eigenverantwortung übernehmen? Die Erfahrung, am Ende des Monats nur noch auf Nudeln mit Pesto rumkauen zur können, ist scheiße, hat mich aber gelehrt, Rechnungen zu bezahlen und mit Geld umzugehen. Naja, fast immer.
Ob Mediziner, Lehrämtler oder KuWi – trotz Vollzeitstudium haben es in meinem Freundeskreis alle Alleinwohnenden geschafft, mindestens noch auf 400-Euro-Basis irgendeinen Nebenjob zu reißen. In der Zeit, in der man jeden Tag in der Bahn rumsitzt, könnte man auch einfach arbeiten gehen.
Außerdem ist das das Ruhrgebiet und nicht München oder Hamburg, wo du für ein Zimmer deine Seele verkaufen musst. Hier gibt’s echt günstige WGs. Ein weiteres Argument: Es gibt immer noch Bafög und Studienkredite, wenn Mama und Papa nicht zahlen können oder eventuell nicht wollen.
Ausrede 2: „Ich will meine Schulfreunde nicht verlieren“
Ich finde es ja auch ganz herzig, wenn ich erzählen kann, dass der Timo und ich schon im Sandkasten rumgebaggert haben und ich nun 20 Jahre später die Patentante seines Satansbratens bin.
Aber mal ganz ehrlich: Wenn Timo und ich uns wirklich lieb haben, werden wir es in solch digitalen Zeiten wohl auch schaffen, den Kontakt zu halten und uns mindestens einmal im Jahr gemeinsam an Weihnachten abzuschießen. Wenn wir uns aus den Augen verlieren, liegt es eventuell einfach daran, dass wir uns auseinandergelebt haben.
Mit dem Auszug kommt eben auch oft ein neuer Freundeskreis.
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Ausrede 3: „Sonst sehe ich meinen Partner nicht mehr“
Gleiches Spiel mit dem Partner. Natürlich sind Wochenendbeziehungen nicht gerade mein feuchter Traum. Und ja, es war so süß, als wir händchenhaltend auf dem Abiball rumknutschten. Zum Erwachsenenleben gehört aber auch dazu, dass jeder seinen Weg gehen muss. Und wenn das heißt, dass ein Paar für die Verwirklichung seiner Träume 230 Kilometer auseinander ziehen muss, dann ist das leider so.
Sollte die Beziehung daran zerbrechen, hat es seine Gründe. Manchmal muss man eben das Risiko eingehen – wer weiß, vielleicht fummelt man ja immer noch wild verliebt mit der Kindergartenliebe im Greisenalter rum.
Und wenn die Beziehung zerbricht, dann solltest du nicht daran zerbrechen! Es gibt im Pott auf jeden Fall en Masse potenzielle One-Night-Stands. Die Anonymität der Großstadt hilft beim Wundenlecken sogar besser als das Dorf.
Ausrede 4: „Das Ruhrgebiet hat mir nichts zu bieten“
Ach wirklich? Studentische Pendler fahren lieber jeden Tag zwei Stunden aus einem 300-Seelen-Dorf nach Essen, nur um nicht in den alltäglichen Genuss ihrer Studienstadt zu kommen. Klar, der Pott kann mit seinen 60er-Bauten das Hamburger Schanzenviertel charmemäßig nicht toppen – jedoch hat er mehr Sexappeal als deine Großraumdisko auf dem Land.
Besonders fasziniert mich, wie die pendelnden Studenten über das Ruhrgebiet urteilen, ohne hier jemals gelebt zu haben. Sie kennen weder die Locations, Clubs oder kulturellen Möglichkeiten, meinen aber zu wissen, dass es in ihrem Dorf viel geiler ist.
Fazit: Angst vor dem Erwachsenwerden?
Liebe Pendler, gesteht euch doch einfach ein: Eventuell habt ihr einfach nur Angst! Denn die Sicherheit des heimischen Kinderzimmers, Mamas immer gleich schmeckendes Essen und die Wohnzimmerparty mit den alten Kollegen bedeuten nicht automatisch Glück.
Eventuell hätten wir uns ja nach dem Kellnern bei einem Bierchen kennengelernt, wenn ihr damals zu Studienbeginn nach Essen gezogen wärt. Aber stattdessen musstet ihr lieber jeden Tag die letzte Bahn bekommen.
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