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Zwischen Rührei und Regal

Zwischen Rührei und Regal

Hagen. 

Karl-Heinz, Mitte 60, sonnengebräunt, hält die Stellung. Er besetzt einen Vierertisch am Geländer mit dem Panoramablick auf Polstermöbel. Einer der begehrtesten Plätze bei Möbel Turflon in Werl. Derweil balanciert seine Frau das Mittagessen auf grauen Tabletts herbei. Schinkenbraten mit Bratkartoffeln, 5,90 Euro. Mehr hat das Paar bislang noch nicht ausgegeben.

Wo liegt der Zusammenhang zwischen Schinkenbraten und Schrankwand? Warum verbinden die meisten Möbelhäuser Gastronomie und Möbelabteilung? Eine Bestandsaufnahme in der Region.

„Unsere Kunden möchten etwas erleben“, sagt Stephan Rahmann, Marketingleiter bei Turflon. Wer Gutes und Preiswürdiges gegessen hat, komme wieder, so die Idee dahinter. Der Anteil der Gastronomie am Gesamtumsatz des Hauses sei nicht hoch. Kundenbindung und Frequenzerhöhung – diese Schlagworte nennt der Marketingfachmann.

Bis zu 10000 Kunden

An guten Tagen kommen bis zu 10 000 Menschen ins Haus. „Ich schätze mal, dass weit mehr als die Hälfte davon auch einen Abstecher ins Restaurant macht.“ Wegen des großen Andrangs wurde das Restaurantkonzept 2006 komplett überarbeitet, und die Anzahl der Sitzplätze erst vor Kurzem noch einmal um 50 auf jetzt 450 erhöht.

Größeres Restaurant als Ikea

Turflon hat damit mehr Plätze als einer der Konkurrenten in der Nachbarschaft. Ikea in Kamen, nur weniger Autobahnminuten entfernt, verfügt nach eigenen Angaben über etwa 400 Plätze. In Siegen sind es 300 – sie gehören damit zu den durchschnittlich großen Ikea-Häusern in Deutschland. Die größten haben 650 Plätze. Laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) gehörte der schwedische Möbelriese im Jahr 2015 zu den zehn größten Systemgastronomen in Deutschland. Der Gesamtumsatz der 50 Häuser lag bei 204 Millionen Euro. Zwar wird es Unterschiede geben, aber rein rechnerisch fallen somit vier Millionen pro Haus an.

Laut Dehoga wird heute mehr als jeder dritte Euro in einem Betrieb der Systemgastronomie umgesetzt. Einen Trend, den Ikea auch weiter ausbauen möchte. Bis zum Jahr 2017 möchte das Unternehmen alle Restaurants einer Frischekur unterziehen.

Lockstoff Frühstück

Begehrt in allen Häusern ist das Frühstück. Die Angebote sind unterschiedlich und kosten zwischen 2 und 5 Euro. Bei Möbel Wiemer in Soest kostet das Büffet 4,90 Euro, bei Turflon sind es acht Teile für 3,95 Euro, bei XXXL Sonneborn in Iserlohn und Lüdenscheid 2,90 Euro für zwei Brötchen mit Belag und bei Ikea gibt’s das Frühstück ab 1,95 Euro. Dort ist die Nachfrage so groß, dass die Restaurants deshalb bereits 30 Minuten früher öffnen als die Möbelabteilung.

Mehr Werbung

Vor einem Jahr, am 1. Juni 2015, wurden die Sonneborn-Häuser im Märkischen Kreis und Möbel Zimmermann in Freudenberg von XXXL übernommen. Seither hat sich nicht nur die Telefonansage verändert. „Das Restaurant wird nun mehr beworben“, erzählt Restaurantleiter Pierre André Held. Es gibt Coupons an der Kasse und Stammkunden bekommen Gutscheine auf dickem Briefpapier zugeschickt. Seither entwickele das Restaurant „ein Eigenleben“. Viele Kunden kommen, ohne Möbel zu kaufen. Die knapp 90 Plätze sind gut ausgelastet. Die Stammkunden sind zwischen 50 und 60 Jahre alt. Held: „Manche verbringen sogar einen Großteil des Tages hier.“