Um mehr Kunden zu gewinnen, hat der Online-Händler seine Sicherheitsmaßnahmen reduziert – das hat heftige Auswirkungen auf die Zahlungsmoral.
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Durch ein zu grobmaschiges Sicherheitsnetz beim Onlinehändler Zalando ist offenbar ein ganzer Schwarm zahlungsunwilliger Kunden geschlüpft. Der Versand-Riese lockerte die Systematik, die darüber entscheidet, welchem Kunden welche Zahlungsart beim Online-Kauf angeboten wird. Die Quittung: Laut Zalando trübte eine Flut von Betrugsfällen das eigentlich positive Geschäftsergebnis für die erste Jahreshälfte. Das Betriebsergebnis (Ebit) stieg zwar von 12,4 auf 59,2 Millionen Euro im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014. Im zweiten Quartal fiel das Ergebnis aber gegen den Trend auf 30,2 von zuvor 35,1 Millionen Euro.
Schutzmaßnahmen greifen nicht mehr richtig
Ende 2014 änderte das Unternehmen das Angebot bei den Bezahlmöglichkeiten, um neue Kunden zu gewinnen. Jetzt griffen die Schutzmaßnahmen nicht mehr richtig und bei Zalando nutzten dem Unternehmen zufolge Betrüger die entstehenden Schlupflöcher. Details, wie genau das System ausgehebelt wurde, nennt der Konzern nicht. Nachahmer könnten sich eingeladen fühlen.
Nach einem bestimmten Verfahren werden Kunden in der virtuellen Welt von den Händlern verschiede Zahlungsarten angeboten: Vorkasse, Kreditkartenzahlung, per PayPal oder Rechnung. Dabei wird zum Beispiel die Zahlungshistorie von Bestandskunden oder das Surfverhalten von Neukunden zur Grunde gelegt. Zalando-Sprecherin Nadine Przybilski: „Bestellt jemand um zwei Uhr nachts zum ersten Mal etwas bei uns, gibt es wahrscheinlich nicht die Möglichkeit, per Rechnung zu bezahlen.“ Neben Betrugsfällen soll so auch verhindert werden, dass Rechnungen schlichtweg nicht beglichen werden.
Zahlungsmoral der Onlinekunden ist so lala
Mit Blick auf eine Studie des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) eine berechtigte Sorge. Grundsätzlich steige dank guter Konjunktur und niedriger Arbeitslosigkeit die Zahlungsmoral der Deutschen. Hinterher hinken jedoch die Onlinekunden. Bei der Umfrage unter den BDIU-Mitgliedern sahen 44 Prozent die Rechnungstreue im Onlinehandel als problematisch an. Zudem geben 57 Prozent an, dass 18- bis 24-jährige Verbraucher Rechnungen unzuverlässig begleichen. Eine Altersgruppe, die online äußerst aktiv ist.
Bei Zalando will man sich über die Zahlungsmoral einzelner Kunden nicht beschweren, aber: „Wir waren etwas zu wohlwollend“, sagt Sprecherin Przybilski mit Blick auf die Veränderung bei den Bezahlmöglichkeiten. Jetzt würde wieder mehr in den Schutz investiert und der Algorithmus verstärkt.
Kundenbindung versus Risiko
In Deutschland, Österreich und der Schweiz sei das Zahlen per Rechnung sehr beliebt. Wird dem Kunden diese Methode verwehrt, würde er schnell abspringen. Ein Balanceakt: Kundenbindung versus Risiko. Zuletzt scheint Zalando der Spagat nicht gelungen.
Denn bleiben Zahlungen trotz mehrfacher Mahnungen aus oder kommt es zu Betrugsfällen, sei es oft schwierig, noch an das Geld zu kommen, heißt es beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh). Bevh-Justiziarin Claudia Schmidt erklärt: „Ob die Unternehmen vor Gericht gehen, ist eine Abwägung von Aufwand und Nutzen.“ Oft sei es jedoch nicht sinnvoll.