70 Prozent der Kaufentscheidungen, sagt die Forschung, treffen Kunden erst im Geschäft. Auf dem Weg bis zur Kasse beeinflusst die Regalanordnung die Laufrichtung. Bei der Konzeption des Supermarktes haben die Planer sogar an die Kinder gedacht.
Essen.
Ein Supermarkt-Management, das etwas auf sich hält, überlässt beim Thema Umsatzsteigerung nichts dem Zufall. Und so planen Designer und Berater die Märkte und deren Einrichtung mit System. Der Kunde soll – ohne es zu merken – mit kleinen Tricks beeinflusst werden, damit er mehr Waren einkauft als er eigentlich wollte. Restaurant-Kritiker und Autor Jörg Zipprick beschreibt die Kniffe in seinem neuen Buch „Die Supermarkt-Lüge“.
Die Bremszone
Diese, nur einige Meter große Zone im Foyer soll den Kunden entschleunigen und in Kauflaune versetzen. Gern werden ein paar Aufsteller oder ein Drehkreuz platziert, damit der Verbraucher nicht in den Markt hineinstürmen kann. Verbraucher, die durch die Regalreihen hetzen, kaufen weniger (siehe auch das Zeitschinden).
Oft unweit der Bremszone: eine Bäckereifiliale. Auch der dort produzierte Duft von Brötchen zielt auf die Psyche der Kunden. Er soll diese in gute Stimmung versetzt. Wer gut gelaunt ist, kauft auch mehr. Und auch das gehört zum Konzept: Kurz hinter der Bremszone gibt es die Obst- und Gemüseabteilung, gern gut ausgeleuchtet mit Speziallampen, die die Farben der Waren kräftiger und frischer leuchten lassen.
Die Laufrichtung
Meist müssen Kunden gegen den Uhrzeigersinn, also linksherum durch den Markt laufen. In einer Studie mit über 100 Supermärkten hat die Einkaufsforschung laut Zipprick festgestellt: Es stimmt, die Umsätze in „Gegen-den-Uhrzeiger-Märkten“ sind höher – etwa zehn Prozent. Die genauen Ursachen des Phänomens sind hingegen noch nicht erforscht. Es könnte, so die Wissenschaft, daran liegen, dass das Greifen der Waren für Rechtshänder angenehmer ist, wenn man linksherum durch die Gänge geht. Und Rechtshänder sind deutlich in der Mehrheit.
Der Regalaufbau
In der Mitte der Regale befinden sich Sichtzone (140 bis 180 Zentimeter vom Boden entfernt) und Greifzone (60 bis 140 Zentimeter). Hier stehen die Waren, die sich gut verkaufen sollen und in der Regel teurer sind. Mitunter, so Zipprick, seien die Zonen sogar schon so ausgerichtet, dass sie einen Größenunterschied von zehn Zentimetern zwischen Männern und Frauen berücksichtigen. Und auch das soll es geben: Gegen Zahlung können Hersteller die Platzierung ihrer Waren in den „guten Regalzonen“ bestellen. Die weniger beliebten Areale im Regal haben auch Namen: Bück- und Streckzone.
Das Blocken
Genau genommen nennen Fachleute diesen Trick „Blocking“. Neben den Regalen oder auf ausgesuchten Freiflächen stehen Boxen oder Grabbeltische. Diese sollen ein Signal an den Kunden senden: Hier gibt es etwas Günstiges. Das kann durchaus richtig sein, muss aber nicht. Oder: Neben einer Box mit günstiger Ware stehen weitere mit gar nicht so günstigen Produkten. Kunden, die nicht aufpassen oder den Preisvergleich aus Bequemlichkeit scheuen, tappen in die Falle.
Die Warenanordnung
Supermarkt-Manager platzieren gern Waren nebeneinander, die irgendwie zueinander passen (Salzstangen in Biernähe zum Beispiel). Sie setzen auf den Effekt mit Namen Kreuz- oder Querverkauf. Das menschliche Hirn koppelt die Bezüge und entwickelt den Impuls, zuzugreifen. Und schon landet ein weiteres Produkt im Einkaufswagen des Verbrauchers, das er eigentlich gar nicht einkaufen wollte.
Das Zeitschinden
Gewinnspiele, Verkostungen oder Aktionen wie „Finden Sie Waren, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist“ sollen den Kunden im Markt halten. Er soll sich mit Waren auseinandersetzen, mit denen er sich ursprünglich gar nicht auseinandersetzen wollte. Auch das sei oft zu beobachten: Die Dinge des täglichen Bedarfs stehen am Ende des Marktes, so dass auch der das gesamte Gebäude durchqueren muss, der eigentlich nur mal eben . . . Auch zum Thema Zeit gibt es bereits wissenschaftliche Untersuchungen: Jede Extra-Minute im Markt erhöht den Umsatz.
Die Quengelzone
Ihren Namen hat die Zone dem Bitten und Betteln der Kinder zu verdanken. Kurz vor der Kasse gibt es seit jeher Süßigkeiten zu kaufen – meist teurere Einzelstücke. Und während in der Schlange gewartet wird, können Jungen und Mädchen nicht anders, als Kaugummi, Bonbons oder Schokoriegel zu verlangen. Oft haben sie Erfolg. Weil die Zone aber so gut funktioniert, stehen in ihr mittlerweile auch Boxen und Extratische mit Saisonware oder Alkoholika. Jörg Zipprick: „Das Geschäft läuft blendend.“ Kurz vor der Kasse erwirtschafteten Supermärkte leicht fünf Prozent ihrer Umsätze.
Jörg Zipprick; „Die Supermarkt-Lüge“, 2013, Ullstein, 254 Seiten, 9,99 Euro; Zipprick behandelt in seinem Buch auch Probleme mit unsichtbaren Lebensmittelzusätzen oder der Inflation von Gütesiegeln.