Düsseldorf.
Ist die Landesregierung „wirtschaftsunfreundlicher“ als ihre Vorgängerinnen und der parkettsichere Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) nur ein „Rhetorikminister“, wie die Opposition höhnt? Die zuletzt ungewöhnlich offene Kritik der Unternehmensverbände in NRW an Rot-Grün hat eine Debatte entfacht, wer in der Standortpolitik eigentlich das Sagen hat: Duin oder der gewiefte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Ein Faktencheck.
Energiepolitik
Duin sieht die rheinische Braunkohle als „Rückgrat“ der Energiewende und sorgt sich um die Marktchancen fossiler Kraftwerke, die vom Überangebot subventionierter Ökoenergien aus dem Netz gedrängt werden und somit an sonnen- und windarmen Tagen fehlen könnten. Duin plädiert mit der SPD für eine Senkung der Stromsteuern und die Beibehaltung von Ausnahmeregelungen für energieintensive Betriebe.
Remmel sieht eine Absenkung der Stromsteuern kritisch, da er Fehlanreize fürchtet. Die Ausnahmen beim Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für Großbetriebe halten die Grünen für zu großzügig bemessen. Remmel setzt auf einen weiteren Ausbau des Ökostroms und eine zunehmende Eigenstromversorgung. Hocheffiziente fossile Kraftwerke sind in seinem Zukunftskonzept nur noch eine Notreserve für wenige Tage im Jahr.
Fazit: Duin ist strategisch im Vorteil, weil Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im Konfliktfall an der Seite der stromintensiven NRW-Industrie und der Energiekonzerne stehen wird.
Klimaschutzgesetz
NRW hat als erstes Bundesland seine Klimaschutzziele gesetzlich festgeschrieben und gilt deshalb als umweltpolitischer Vorreiter. Ein Erfolg für Remmel. Der Klimaschutzplan, der die konkreten Maßnahmen beschreiben soll, muss allerdings erst noch erarbeitet werden. Die Staatskanzlei hat klargestellt, dass dem Umweltschutz bei der Aufstellung von Regional- und Bebauungsplänen kein Vorrang gegenüber anderen Landeszielen eingeräumt wird. Die Anwendbarkeit des Klimaschutzgesetzes dürfte sich zudem auf den öffentlichen Sektor beschränken. Rot-Grün sucht den Konsens, freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sind denkbar. Ob die ehrgeizigen Klimaschutzziele so einzuhalten sind, ist fraglich.
Fazit: Obwohl das Klimaschutzgesetz weit weniger einschneidend für den Industriestandort NRW wirken dürfte als in vielen Chefetagen befürchtet, ist es Duin nicht gelungen, Sorgen vor einem „grünen Alleingang“ in NRW zu nehmen.
Landesentwicklungsplan
Die Landesregierung stellt einen neuen Landesentwicklungsplan (LEP) auf, der die Planungsleitplanken für die kommenden 15 Jahre vorgibt. Hieran haben sich regionale und kommunale Bebauungspläne zu orientieren. Rot-Grün will den Flächenverbrauch drastisch reduzieren, die Ausweisung von Siedlungs- und Gewerbegebieten weiter ermöglichen. Zuletzt beschwerten sich Kommunal- und Wirtschaftsverbände, dass in einem Gutachten Flächenreserven und Brachen verzerrt berechnet worden seien.
Fazit: Ein wenig populäres, aber wegweisendes Thema, bei dem Duin aufpassen muss, dass der Handlungsspielraum der Wirtschaft nicht zu eng wird.
Datteln IV
Im Streit um die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln IV lebt Rot-Grün seit zweieinhalb Jahren gut mit einer einfachen Argumentationskette: Die Planungsfehler hat die schwarz-gelbe Vorgängerregierung gemacht, man selbst baue keine Kraftwerke und reiße auch keine ab, am Ende entscheiden die Gerichte. In diesem Jahr ist es vorbei mit der argumentativen Gemütlichkeit. Wenn der Stadtrat in Datteln einen neuen Bebauungsplan und die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) einen neuen Regionalplan verabschiedet hat, ist die Staatskanzlei am Zug. Die SPD ist tendenziell für Datteln IV, die Grünen dagegen. Neue Anwohnerklagen drohen.
Fazit: Bislang hält sich Duin an die rot-grüne Linie. Wenn der Fall zur Entscheidung beim Land landet, muss auch er Farbe bekennen.