Auf ehemaligen Bergbaugebieten sind Einkaufstempel, Büros und Wohnhäuser entstanden. Doch die RAG hat noch viel zu entwickeln.
Essen.
2018 soll endgültig Schluss sein mit der Förderung von Steinkohle in Deutschland. Der Bergbau geht, die Flächen bleiben. Was aus ihnen wird, liegt in der Hand der RAG Montan Immobilien GmbH in Essen. Ihr Chef Hans-Peter Noll blickt aktuell auf ein riesiges Reich von 1200 Hektar ehemaliger Bergbau-Areale, die eine neue Nutzung erhalten sollen. In seinen Wirkungskreis passt locker zweimal die Nordseeinsel Baltrum.
Was aus einem ehemaligen Bergwerk werden kann, ist in Mülheim zu besichtigen. Direkt an der A40 eröffnete 1973 das Rhein-Ruhr-Zentrum. Wo bis heute eingekauft wird, hauten Kumpel vom 18. Jahrhundert bis zum Jahr 1929 Kohle.
„Als RAG-Tochter wollen wir ganz im Sinne des Konzerns selbst einen aktiven Beitrag zum Strukturwandel leisten“, sagt Immobilien-Chef Noll. Bis in die 80er-Jahre verkaufte das Bergbauunternehmen seine Flächen. Seit 1988/89 hat die Ruhrkohle den Anspruch, geschlossene Zechen und nicht mehr benötigte Grundstücke selbst zu entwickeln.
Zeche Hugo wurde zum Park
250 Projekte ganz unterschiedlicher Größenordnung hat die RAG Montan Immobilien derzeit auf der Agenda. 2015 kommt ein weiteres hinzu, wenn das Bergwerk Auguste Victoria in Marl seinen Betrieb einstellt. „Wer will schon eine stillgelegte Zeche als Immobilie haben? Sie ist erst einmal eine Last“, sagt Noll. Als Dienstleister für die RAG wird die RAG Montan Immobilien, die mit dem Duisburger Hafen die Logport Ruhr GmbH, eine gemeinsame Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft für Logistik gegründet hat, das Areal erschließen und gemeinsam mit der Kommune ein Nutzungskonzept erarbeiten.
Wie im Fall der Zeche Zollverein in Essen tritt die RAG Montan Immobilien auch als Entwickler und Investor in Erscheinung und baut mit dem Essener Projektentwickler Kölbl Kruse auf dem sogenannten Designstadt-Areal die neue Folkwang-Hochschule für Design, ein Hotel und ein Bürogebäude. Den Eisbrecher für die Entwicklung der Brache spielte die RAG-Tochter im übrigen selbst, als sie im März 2012 mit ihrer Firmenzentrale auf das Unesco-Welterbe zog. „Damit ist für mich ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen“, bekennt Noll. Nun folgt auch die Konzernmutter: Für 14 bis 18 Millionen Euro baut das Projektentwicklungsteam ab Sommer 2016 auf dem Kokereigelände die neue RAG-Zentrale, die 2018 von Herne nach Essen umziehen wird.
So spektakuläre Ansiedlungen wie auf Zollverein gelingen freilich nicht überall. „Als Flächenentwickler braucht man vor allem einen langen Atem. Für manche Flächen muss man schon zehn bis 15 Jahre einkalkulieren“, meint Noll. Auf der ehemaligen Zeche Hugo in Gelsenkirchen etwa wollte so recht kein Interessent anbeißen. Deshalb entschloss man sich, dort einen Park anzulegen, in dem Pflanzen wachsen, die als Biomasse erneuerbare Energie erzeugen sollen. Auf anderen Bergbaugefilden stehen inzwischen Windräder oder Photovoltaikanlagen.
1200 neue Jobs auf Ewald in Herten
Neben Zollverein in Essen ist in Herne ein weiterer „Leuchtturm“ des auslaufenden Bergbaus entstanden: Auf Mont Cenis steht ein riesiger Glaskubus, der die Fortbildungsakademie des NRW-Innenministeriums beherbergt und auf dessen Dach Energie aus Sonne erzeugt. Drumherum hat sich ein neues Stadtteilzentrum entwickelt.
„Wir wollen als RAG keine verbrannte Erde hinterlassen“, sagt Noll. Die Beschäftigungsbilanz ist allerdings nicht überall so positiv wie auf der Zeche Ewald in Herten. 80 Prozent der 60 Hektar großen Fläche sind inzwischen vermarktet. Die Unternehmen, die sich dort ansiedelten, schufen immerhin 1200 neue Stellen, wo früher 6000 Kumpel arbeiteten – das ist laut Noll aber „eher die Ausnahme“.
Dennoch bleibt er zuversichtlich. Professor Noll, der am Geographischen Institut der Ruhr-Uni Bochum lehrt, treibt die Frage um, wie heimische Studenten, die im Ausland studieren, wieder zurückgelockt und wie Absolventen aus dem Revier an die Region gebunden werden können. „Der Schlüssel wird in der Schaffung von Arbeitsplätzen und Lebensqualität liegen“, sagt er. Noch fehle dem Ruhrgebiet ein Symbol wie es Paris mit dem Eiffelturm habe. Der Doppelbock von Zollverein stehe immer noch für Vergangenes, auch wenn die Region zu Recht mit Stolz auf ihre industrielle Vergangenheit schaue – aber nach dem Leuchtturmsymbol, das Zukunft ausdrückt, sucht er noch.