Warum Piëch gegen Nominierung seiner Nichten stänkert
Kurz vor VW-Hauptversammlung ist der Aufsichtsrat wieder komplett: Zwei Frauen vom PS-Clan Porsche/Piëch, dem größten VW-Eigner, füllen die Plätze auf, die der Rücktritt von Ferdinand und Ursula Piëch brachte. Offen bleibt aber die Chef-Frage.
Wolfsburg.
Der Aufsichtsrat des Autobauers Volkswagen ist nach dem Rücktritt von Chefkontrolleur Ferdinand Piëch und seiner Ehefrau Ursula wieder vollzählig. Mit Louise Kiesling (57) und Julia Kuhn-Piëch (34) ziehen zwei Frauen in das 20-köpfige Kontrollgremium ein, wie die Volkswagen AG am Donnerstag mitteilte.
Beide stammen aus dem Familienclan der VW-Großeigner Porsche/Piëch. Unklar bleibt aber zunächst, wer nächster Aufsichtsratsvorsitzender wird.
Mit Kiesling und Kuhn-Piëch erfüllt die Kapitalseite im Aufsichtsrat das ab 2016 geltende Ziel von 30 Prozent Frauenanteil. Annika Falkengren ist die dritte Frau auf der zehnköpfigen Eignerseite. Aufseiten der Arbeitnehmer steht bisher nur Babette Fröhlich von der IG Metall.
Piëch missfällt die Berufung seiner Nichten
Kiesling und Kuhn-Piëch rücken mit sofortiger Wirkung für das am Samstag vergangener Woche zurückgetretene Ehepaar Ferdinand und Ursula Piëch nach. Laut „Bild.de“ missfällt Ferdinand Piëch die Berufung der neuen Aufsichtsratsmitglieder.
Piëch stoße sich an deren Erfahrungsmangel in der Automobilindustrie. Stattdessen favorisiere er den früheren BMW- und Linde-Manager Wolfgang Reitzle und das langjährige Siemens-Vorstandsmitglied Brigitte Ederer, berichtete „Bild.de“.
Ein VW-Konzernsprecher entgegnete daraufhin mit Blick auf die Mitteilung zu den zwei Personalien: „Wir haben unserer Information nichts hinzuzufügen.“ Nach Angaben des Sprechers am Amtsgericht Braunschweig, Karl Jahnke, lagen dort keinerlei Informationen vor, wonach die über das Gericht erfolgte Bestellung angefochten werde.
Arbeitnehmervertretung begrüßt die Berufung der Frauen
Die Sprecherin der niedersächsischen Staatskanzlei, Anke Pörksen, sagte: „Wir freuen uns, dass der Aufsichtsrat wieder komplett ist.“ Ein Sprecher des bei VW einflussreichen Konzernbetriebsrates sagte am Freitag, die Arbeitnehmervertretung begrüße die Berufung beider Frauen.
„Frau Julia Kuhn-Piëch kennen und schätzen wir bereits aus der Zusammenarbeit bei MAN Truck & Bus und in der Salzach Privatstiftung“, sagte er. Die 34-Jährige sitzt als Aufsichtsrätin beim Münchner Nutzfahrzeughersteller MAN in dessen zentraler Gesellschaft Truck & Bus. MAN ist eine Volkswagen-Tochter. Kuhn-Piëch studierte zunächst Jura und anschließend an der Technischen Universität Wien Immobilien- und Liegenschaftsmanagement.
Außerdem ist die Nichte des zurückgetretenen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch als junges Mitglied der PS-Dynastie Porsche/Piëch aktiv in der Salzach Privatstiftung. Darüber kontrolliert die Belegschaft indirekt zwei Prozent der stimmberechtigten VW-Stammaktien, die aus dem Fundus der VW-Eigentümerfamilien Piëch/Porsche kommen.
Die Dividende aber bleibt beim PS-Clan. Die Stiftung ist ein Vehikel, das die Begegnung der Großaktionäre – vor allem ihrer jungen Generation – und der Mitarbeiterseite fördert. Der Konzern gibt 600.000 Menschen Arbeit.
Nachrückerinnen aus vierter Familiengeneration
Als das für Volkswagen zuständige Registergericht ist das Amtsgericht Braunschweig für das Berufungsprozedere der Frauen verantwortlich. Grundlage ist Paragraf 104 Aktiengesetz. Demnach kann die Bestellung über das Gericht auf Antrag eines Aufsichtsrates, Aktionärs oder des Konzernvorstandes erfolgen – Letzteres geschah im vorliegenden Fall.
Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der PS-Dynastie erfuhr, ist Louise Kiesling eine Tochter der verstorbenen Louise Daxer-Piëch (1932 bis 2006) – Schwester von Ferdinand Piëch. Deren Mutter Louise Porsche (1904 bis 1999) war wiederum Tochter des Porsche-Gründers und VW-Käfer-Ingenieurs Ferdinand Porsche (1875 – 1951). Sie hatte in den Namen Piëch hineingeheiratet – seither gibt es zwei Familienflügel.
Julia Kuhn-Piëch ist laut den dpa-Informationen eine Tochter von Hans Michel Piëch, der bereits im Aufsichtsrat sitzt und Ferdinand Piëchs jüngerer Bruder ist. Seine Generation umfasst vier Geschwister. Die beiden Nachrückerinnen entstammen der vierten Familiengeneration.
Keine Vorentscheidung für den Chefposten der Kontrolleure
Mit Louise Kiesling erhält das Kontrollgremium Verstärkung von einer Expertin für Ästhetik und Formgebung. Die 57-Jährige arbeitete nach Studienabschlüssen in Modedesign (Wien) und Automobildesign (London) als Designerin in Deutschland, Österreich und Großbritannien.
Ihre Expertise verbindet sie mit langjähriger Erfahrung als Geschäftsfrau: So ist die Gesellschafterin und Geschäftsführerin mehrerer Firmen, darunter die Textilmanufaktur Backhausen (Hoheneich, Österreich). Die stattet Repräsentationsbauten weltweit aus, darunter das Kanzleramt und die Staatsoper in Wien oder das Königliche Schloss in Kopenhagen.
Eine Vorentscheidung für den Chefposten der Kontrolleure ist damit aber nicht gefallen. Vize-Aufsichtsratschef Berthold Huber führt die Geschäfte weiter kommissarisch. Der ehemalige Chef der IG Metall wird auch die VW-Hauptversammlung nächsten Dienstag leiten.
30 Prozent Frauenanteil bei Aufsichtsrats-Neubesetzungen
Die Berufung der beiden Frauen erfolgte auf Antrag des VW-Vorstandes über das Amtsgericht in Braunschweig. So etwas ist generell erst nach drei Monaten Vakanz der Fall, kann „in dringenden Fällen“ aber auch früher geschehen. Die als Ersatz bestellten Mitglieder brauchen nun die Amtszeit des Ehepaars Piëch auf – sie läuft bis Frühling 2017.
Ab 2016 müssen Aufsichtsrats-Neubesetzungen eine Zielvorgabe von 30 Prozent Frauenanteil berücksichtigen. Nach dem Ausscheiden von Ursula Piëch war auf Kapitalseite zunächst nur Annika Falkengren geblieben. (dpa)