Der Branchenverband sieht die Stadtwerke wegen der Energiewende in einer schwierigen Situation. Die Zeiten von Milch und Honig sind vorbei.
Essen.
Bis vor Kurzem noch galt Katherina Reiche als Vorzeigefrau der CDU. Und die Politikerin in sich kann die neue Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) nicht so schnell ablegen. Die Frage, ob die Stadtwerke im Ruhrgebiet zu den Sorgenkindern des Verbandes zählen, beantwortet die Mutter von drei Kindern so, als wolle sie die ganze Branche umarmen: „Die Stadtwerke halten das Ruhrgebiet am Laufen. Ohne ihre Kompetenz würde kein Strom fließen, kein Wasser, kein Abwasser gereinigt, die Mülltonnen würde nicht geleert“, sagt die 42-jährige.
Das klingt wie eine Liebeserklärung an ein Gewerbe, dem schon immer ein leicht verstaubter Charme anhaftete, das dafür aber jahrzehntelang der Goldesel war für die stolzen Besitzer, die Kommunen. Das Zeitalter, in dem im Stadtwerkeland mit seinem weitverzweigten Strom-, Gas- und Wassergeschäft Milch und Honig flossen, ist indes vorbei. Das weiß auch Katherina Reiche. Und deshalb schiebt sie noch eine zweite nachdenklichere Aussage hinterher, die die Risiken besonders unserer Region umschreibt. Reiche konstatiert eine faktische Doppelbelastung im Ruhrgebiet. Die liege darin, dass hier viele Stadtwerke mit eigenen Kraftwerken oder Kraftwerksbeteiligungen wegen der Folgen der Energiewende erheblich unter Druck geraten und die Städte selbst in einer schwierigen Lage seien. Reiche: „Die Kommunen hoffen auf die Ausschüttungen der Stadtwerke, die aber derzeit nicht wie gewohnt fließen.“
Katherina Reiche hat sich für ihren aufsehenerregenden Wechsel aus dem Amt der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium auf den Chefsessel eines Wirtschaftsverbandes eine schwierige Phase ausgesucht. Viele Stadtwerke stecken im Krisenmodus. „Alle haben sich daran gewöhnt, dass wir enorme Gewinne abwerfen. Aber diese Zeiten sind vorbei“, sagt VKU-Vizepräsident Armin Feicht, der mit Reiche zum Interview mit unserer Zeitung erschienen ist. Das Geschäftsmodell der Stadtwerke funktioniere noch, versichert der Chef der Stadtwerke Wuppertal. Aktuell reichten aber in einigen Städten die Erlöse nicht mehr aus, um beispielsweise den Nahverkehr zu finanzieren. Gemeint sind damit Revierkommunen wie Duisburg, wo die Stadtwerke-Holding selber zum Versorgungsfall geworden ist, dem die hoch verschuldete Stadt mit 200 Millionen Euro unter die Arme greifen muss.
Stadtwerke, glaubt Feicht, müssen sich künftig reformieren, schlanker werden, die Kosten senken – auch um wieder Freiräume zum Investieren zu gewinnen. „Das kann auch nach sich ziehen, dass Stadtwerke weniger Mitarbeiter beschäftigen werden“, so der VKU-Vize. Wer ein Kraftwerk stilllege, könne die Mitarbeiter dort nicht mehr weiterbeschäftigen. Feicht: „Da wird viel Veränderung auf die Belegschaften zukommen.“
Freiräume für Investitionen haben gerade Revier-Stadtwerke in jüngster Zeit genutzt, freilich nicht immer unter dem Beifall von Klimaschützern. Bei der umstrittenen Übernahme des Essener Kohleverstromers Steag durch sieben Stadtwerke der Region hagelte es bekanntlich Kritik. Die Steag erwirtschaftet ihre Erlöse überwiegend mit klimaschädlichen Steinkohlekraftwerken. Feicht verteidigt die Milliarden-Investition. Entscheidend sei die Bedeutung der Steag als größter Fernwärmeanbieter in NRW. Feicht: „Das Ruhrgebiet ist der führende Fernwärmeverbund in Deutschland.“ Fernwärme gilt als klimaschonende Energieform.
Feicht betonte auch die Bedeutung der Stadtwerke für die Energiewende: „Bei den Neuinvestitionen in das Erneuerbare-Energiegeschäft leisten die Stadtwerke in Deutschland einen substanziellen Anteil.“ Allerdings sei die Gewinnmarge, die man bei Windkraftanlagen erzielen könne, nicht vergleichbar mit den Erlösen aus konventionellen Kraftwerken.