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Videotheken in Deutschland haben noch eine letzte Hoffnung

Videotheken in Deutschland haben noch eine letzte Hoffnung

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dpa Picture-Alliance-81608779-HighRes.jpg Foto: picture alliance / dpa
Im Zeitalter des Streamings kämpfen die letzten Videotheken ums Überleben. Eine Hoffnung der Branche ist dabei der Nostalgie-Boom.

Berlin. 

Es ist ein Abschied auf Raten: Rund 2400 Videotheken gab es vor fünf Jahren noch in Deutschland. Davon blieb im Jahr 2016 gerade mal die Hälfte übrig.

Filmverleiher geben ihr Geschäft auf oder machen auf verkleinerter Fläche weiter. So wie Peter Glanz, der in Frankfurt am Main die Videothek Video-City betreibt. „Wegen des anhaltenden Umsatzrückgangs mussten wir im Februar von unserem bisherigen Geschäft in wesentlich kleinere Räumlichkeiten umziehen,“ sagt Glanz. Die Fläche schrumpfte von 334 auf 70 Quadratmeter. Wenigstens blieb der Filmbestand von rund 60.000 Titeln erhalten. „Ins Regal stellen kann ich aber längst nicht mehr alle Filme,“ sagt Glanz. Nicht gut für den Umsatz, wenn Kunden sich nicht mehr wie früher beim Gang durch die Regalbereiche inspirieren lassen können.

Düstere Umsatzprognose

Die Videotheken in Deutschland haben große geschäftliche Sorgen. Und das schon seit Jahren. Betrug der Umsatz der Branche 2008 noch 335 Millionen Euro, waren es 2015 nur noch 178 Millionen Euro. Die Umsatzprognose für das Jahr 2020 sieht mit 117 Millionen Euro noch düsterer aus.

Von den Boomzeiten der 80er-Jahre, als es in Deutschland fast 5000 Videotheken gab und die Umsätze über denen der Kinos lagen, kann die Branche nur noch träumen. Ganz anders sieht es mit den Video-on-Demand-Angeboten (VoD) im Netz aus, die sich zum neuen Standbein der Filmindus­trie entwickeln. Den Branchenverbänden Bitkom und IHS Screen Digest zufolge erzielte VoD in Deutschland 2015 einen Umsatz von 579 Millionen Euro. Im laufenden Jahr sollen die Umsätze sogar auf 717 Millionen Euro steigen.

Probleme bereiten die illegalen Downloads

Dennoch sieht Jörg Weinrich, Geschäftsführer des Interessenverbands des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e. V. (IVD) die Ursache für die Krise des stationären Handels woanders. „Das Hauptproblem der Videotheken ist das illegale Angebot im Netz“, sagt Weinrich. „Hier erhalten die Kunden das Produkt, das in Videotheken gegen Entgelt geliehen werden kann, oft gratis.“ Solange dieses Angebot nicht deutlich eingeschränkt wird, sei kaum zu erwarten, dass es wieder mehr Videotheken gibt.

Bessere Internetleitungen, die Streamingdiensten wie Maxdome, Netflix oder Amazon Kunden zutreiben, hätten eben eine Kehrseite. „Sie erlauben auch einen schnelleren Zugriff auf illegale Angebote und sind somit für Videotheken wenig hilfreich“, sagt Weinrich. Der Wettkampf gegen die VoD-Anbieter scheint fast aussichtslos.

Videothekar Glanz, der seit 12 Jahren im Geschäft ist, versucht dennoch, durch Spezialisierung Boden gutzumachen. „Wir kaufen gezielt Filme ein, die auf Festivals gelaufen sind oder dort auch Preise gewonnen haben“, sagt Glanz. „Diese Filme sind in der Regel bei Streaming-Anbietern nicht erhältlich.“ Zum „Reinschnuppern“ in die oft sperrigen Filme hat Glanz in seinem Laden sogar eine spezielle Präsentationswand aufgebaut, die von Kundschaft gut angenommen wird. Mit speziellen Dokumentationen, TV-Serien und Mangas will Glanz jenseits des Mainstreams punkten.

Branche setzt auf Nostalgie

Seine Kunden verlangten auch nach älteren Filmen, von denen Glanz stets eine Kopie behält. Bei der Verfügbarkeit neuer Filme sieht IVD-Mann Weinrich die Videotheken sogar vorn. „Die VoD-Angebote von Netflix und Co. haben keine aktuellen Spielfilme.“ Diese stellten aber das wichtigste Angebot der Videotheken dar. „Der Einzelverleih im Netz bietet zwar aktuelle Spielfilme an, ist aber deutlich teurer und leidet auch an der illegalen Konkurrenz“, sagt Weinrich.

Die zumeist in Hollywood angesiedelten Filmgiganten setzen zunehmend auf eine zentralisierte Steuerung von Produktion und Distribution. Die Aussicht, ohne Mittelsmänner wie stationäre Videotheken Filme online direkt an den Endverbraucher zu liefern, ist verlockend – und für die Videotheken verheerend.

Filmfirmen lassen Videotheken im Stich

„Bei manchen hat man in der Tat das Gefühl, dass sie den Verleih nicht nur nicht unterstützen, sondern sogar torpedieren wollen“, klagt Peter Glanz. „Früher gab es generell ein mehrwöchiges Verleihfenster, heute erscheint vieles zeitgleich oder sogar mit einem Minusfenster.“ Damit bezeichnet die Branche einen Vorgang, wenn ein neuer Film auf DVD oder Blu-Ray erst in den Verkauf, und dann erst in den Verleih gelangt – ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für die Videotheken. „Dass Videotheken einen Film einmal später als der Kaufmarkt erhalten, ist der absolute Ausnahmefall“, sagt Weinrich. In der Regel würden Videotheken Filme entweder vor der Kaufveröffentlichung oder zum selben Zeitpunkt erhalten.

Eine kleine Hoffnung der Videothekare liegt darin begründet, dass die Schallplatte bei einer nostalgisch angehauchten Kundenschaft derzeit ihren zweiten Frühling erlebt. „Unser Vinyl sind die VHS-Kassetten“, sagt Glanz. „Wir haben davon noch große Mengen.“ Längst nicht alle Filme, die einst auf VHS erschienen, seien auf DVD erhältlich. „Es gibt aber durchaus Filmfreunde, die auch diese Produktionen sehen möchten.“ Neben alten Western und Monstertrash sahen auch einige Arthouse-Filme nie das Licht der DVD.

Auch IVD-Geschäftsführer Weinrich sieht Chancen für Videotheken, die auf Arthouse-Programm setzen. „Das funktioniert in größeren Städten mit einem eher studentischen Publikum“, sagt Weinrich. Eine Erfolg versprechende Strategie für die Kleinstadt sei es nicht. Ohnehin plagen Nachwuchssorgen die Branche. Viele Inhaber, die ihre Videotheken in den 80er-Jahren eröffnet haben, kommen ins Rentenalter. „Teilweise werden Videotheken den Mitarbeitern übergeben“, sagt Weinrich. „Oft wird aber auch einfach geschlossen.“ Das gleiche Schicksal könnte auch Video-City drohen. „Ich möchte den Laden noch einige Jahre erhalten“, sagt Glanz. „Ob sich dann noch ein Nachfolger findet, ist ungewiss.“