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Unternehmen Achterbahn auf der Cranger Kirmes

Unternehmen Achterbahn auf der Cranger Kirmes

Die Cranger Kirmes in Herne, die am Donnerstag startete, gehört zu den größten ihrer Art. Rund 3,5 Millionen Besucher werden in den insgesamt elf Tagen erwartet. Sie wollen Spaß. Für Schausteller wie Rudolf Barth ist die Kirmes Knochenarbeit.

Herne. 

Rudolf Barth schreitet mit prüfendem Blick an zweien seiner Mitarbeiter vorbei. Die beiden Rumänen montieren, halb kniend, halb liegend, von unten fehlende Teile an die Fahrrinne. Barth ist stolzer Besitzer der Olympia-Achterbahn mit fünf Loopings. Es ist Montag, drei Tage vor Kirmesbeginn. Die Zeit drängt.

Die Cranger Kirmes, die am Donnerstag startete, gehört zu den größten ihrer Art. Rund 3,5 Millionen Besucher werden in den insgesamt elf Tagen erwartet. Sie kommen, um Spaß zu haben. Für Schausteller wie Rudolf Barth ist die Kirmes Knochenarbeit. Und ein Job, den er über alles liebt. „Das hier“, sagt der 72-Jährige mit rauchiger Bassstimme und zeigt auf die Achterbahn, „das hier ist mein Baby. Ich liebe es mehr als meine Frau und meine Söhne“.

„Die Arbeit ist sehr hart“

Aus seiner rechten Hosentasche zieht er eine Schnupftabakdose hervor. „Die Arbeit ist sehr hart“, sagt er, „Man muss dafür geboren sein.“ Mit dem rechten Nasenloch schnupft er sich den braunen, krümeligen Haufen vom Handrücken. Seine Hände, man sieht es sofort, sind Hände zum Arbeiten, zum Anpacken.

Das Geschäft der Schausteller, es ist kein leichtes Leben. In neun Monaten, zwischen Ostern und Erntedank, müssen die Schausteller genug für das ganze Jahr verdienen. Doch: „Wie viel wir verdienen, hängt vom Wetter ab“, sagt Albert Ritter. „Wenn es zu heiß ist oder regnet, können einige nicht mal ihre Kosten decken.“ Auch Ritter ist Schausteller und Vorsitzender des deutschen Schaustellerbunds. „Wir sind heute nur noch ein Mosaik in der Unterhaltungslandschaft“, sagt er. „Heute überlebt in diesem Geschäft nur noch, wer attraktiv ist.“

Doch was genau attraktiv ist, lässt sich in dem Gewerbe nur schwer festmachen. Und welche Kirmes sich für welchen Schausteller lohnt, hängt stark von seinen Kosten ab. Für Rudolf Barth etwa sind die Spritkosten der entscheidende Faktor. Dreh- und Angelpunkt in jedem Jahr ist für ihn das Münchner Oktoberfest. Hier macht der Schausteller bis zu 80 Prozent seines Jahresgewinns. Um die 1000 Tonnen schwere Achterbahn zu befördern, benötigt Barth mehrere Spezialcontainer, zehn Zugmaschinen und einen Fuhrpark von 50 Fahrzeugen. „Allein für die 800 Kilometer vom Ruhrgebiet nach München belaufen sich die Spritkosten auf 50 000 bis 60 000 Euro“, sagt er. Deswegen fährt er auch nur noch fünf bis sechs Plätze im Jahr an. Zu den Spritkosten kommen dann auf jedem Platz Kosten für Strom und Platzgebühr dazu. Plus weitere 200 000 bis 300 000 Euro jährlich für Wartungsarbeiten.

Wenn die Kirmeszeit vorbei ist, bringt der Trupp das ganze Gerät zum Einlagern nach Euskirchen. Hier hat Barth vor Jahren für rund 500 000 Euro ein riesiges Betriebsgelände gekauft. So gesprächig der Schausteller bisher war, bei Fragen zu seinen Einnahmen bleibt er zurückhaltend. Der Tagesumsatz? „Das kann man nicht so genau sagen.“ 20 Personen passen in einen Zug und die Fahrt dauert knapp drei Minuten. Theoretisch, bei Vollauslastung, könnte die Achterbahn also maximal 400 Personen in einer Stunde befördern.

Die Leidenschaft des Schaustellerns

Die Cranger Kirmes geht elf Tage und hat täglich zwischen sechs und zwölf Stunden geöffnet. Die Tickets kosten in Crange fünf Euro für Kinder und 6,50 Euro für Erwachsene. Theoretisch könnte das einen Durchschnittsverdienst von ungefähr 10 000 Euro am Tag bedeuten.

Im Alter von 30, im Jahr 1970 machte Barth sich mit seiner ersten Achterbahn selbständig. Das Startkapital für das gebrauchte Stück kam vom Vater, der ihm auch seinen alten Autoscooter vermachte. Und dann fing das mit den Loopings an: 1978 kam die erste Achterbahn mit einem Looping auf den deutschen Markt, 1979 kaufte Barth die erste Achterbahn mit dem Doppel-Looping. 1989 kam dann der ganz große Schritt: Der Fünffach-Looping für damals 13 Millionen Mark.

Die Leidenschaft des Schaustellerns ist ansteckend, vielleicht ist es ein Familiengen. Der eine Sohn betreibt heute eine Berg- und Talbahn, der zweite eine kleine Achterbahn, der dritte einen kleinen Freizeitpark.

Hier geht es zu unserer Spezial-Seite zur Kirmes.