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Tengelmanns „Plus“-Expansion in Russland sorgt für Ärger

Tengelmanns „Plus“-Expansion in Russland sorgt für Ärger

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Foto: IMAGO
Tengelmann will 150 Plus-Filialen in Russland eröffnen. Der Betriebsrat ist aufgebracht, weil zeitgleich 451 deutsche Märkte zur Disposition stehen.

Mülheim. 

Während sich die Mülheimer Tengelmann-Gruppe in Deutschland von ihrem Supermarkt-Geschäft trennen will, plant sie in Russland die Eröffnung von bis zu 150 Plus-Discountern. Die Eroberung des russischen Marktes will sich das Familienunternehmen laut Medienberichten eine halbe Milliarde Euro kosten lassen.

Aktuell will sich Tengelmann zu den Plänen in Russland nicht äußern. Die öffentliche Debatte kommt dem Konzern höchst ungelegen. Nachdem das Bundeskartellamt die Übernahme der 451 rote Zahlen schreibenden Kaiser’s Tengelmann-Supermärkte durch Edeka abgelehnt hatte, hoffen die beiden Wunschpartner nun auf eine Sondergenehmigung durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Das Anhörungsverfahren läuft gerade. Sollte der Deal auch mit Hilfe des SPD-Chefs nicht gelingen, stehe nach Einschätzung beider Partner rund die Hälfte der 16 000 Kaiser’s Tengelmann-Mitarbeiter auf dem Spiel.

Unmut in der Tengelmann-Belegschaft

Das Grummeln in der Belegschaft ist groß: „Die Pläne in Russland empfinden die Kollegen wie einen Faustschlag ins Gesicht“, sagt Manfred Schick, Betriebsratsvorsitzender von Kaiser’s Tengelmann in der Region München/Oberbayern. Es sei schwer zu verstehen, dass das Unternehmen seine Supermärkte in Deutschland nicht wirtschaftlich führen könne, aber in Russland „mit all seinen wirtschaftlichen Unsicherheiten“ bis zu 150 Plus-Filialen aufbauen wolle. Schick: „Die Mitarbeiter schütteln mit dem Kopf.“

Dabei kommt der Ausflug in den Osten nicht überraschend. Schon im Jahr 2012 hatte Tengelmann angekündigt, die Discount-Marke Plus in Russland wieder aufleben zu lassen. Die Kette hatten die Mülheimer 2008 unter erheblichen Kartellauflagen an die Edeka verkauft. Seither wurden die Plus-Märkte in Netto umgeflaggt. Den Angaben von damals zufolge will Tengelmann bis zum Jahr 2022 rund 150 Plus-Filialen in Russland eröffnen. Im Februar sagte eine Unternehmenssprecherin der „Lebensmittelzeitung“, dass die ersten Läden Ende 2015 an den Start gehen sollen.

Filialen in Ballungszentren

Russische Medien berichten, dass Tengelmann das neue Geschäft nicht von Mülheim steuere. Die Konzerntochter Plus Development soll den russischen Markt aufrollen. Sie wiederum gehört zu 100 Prozent der Plus Russland Diskont, die ihren Sitz in Luxemburg hat. Auf der Internetseite von Plus Development ist nachzulesen, dass Tengelmann mit der russischen Rosevrogroup kooperiert.

Zum Konzept gehört, dass sich Plus in Ballungsgebieten rund um den Großraum Moskau ansiedelt. Aber auch die Städte Tula, Twer, Rjasan und Nowogorod sind im Gespräch. Die Läden sollen 1200 bis 1400 Quadratmeter groß sein und ein Einzugsgebiet von über 20 000 Einwohnern haben. Russische Medien berichten, dass die ersten Standorte bereits erworben worden seien.

Auch Obi-Baumärkte expandieren

Russland ist für Tengelmann kein Neuland. Die Handelsgruppe ist dort bereits mit 24 Obi-Baumärkten vertreten. Acht davon befinden sich in Moskau und fünf in St. Petersburg. Nach eigenen Angaben will Obi bis Ende 2017 weitere 18 Baumärkte in Russland eröffnen. Das Investitionsvolumen soll rund 250 Millionen Euro betragen.

Tengelmann ist nicht das einzige deutsche Unternehmen, dass trotz der gerade verlängerten Wirtschaftssanktionen und trotz der aktuellen Wirtschaftskrise in Russland investiert. Auch der Düsseldorfer Handelsriese Metro will an seinem Engagement dort festhalten und sieht eine Aufhellung der Geschäftslage. Die Exporte nach Russland insbesondere deutscher Maschinenbauer sind indes nahezu eingebrochen.