In Krefeld und Siegen lässt die Bahn bei Siemens und Bombardier die künftigen Intercity-Waggons produzieren. 2200 Beschäftigte an der Duisburger Stadtgrenze atmen auf.
Krefeld.
In der klinisch sauberen Fabrikhalle nahe am Rhein kommt der Nachwuchs für Europas Bahnverkehr zur Welt. Hinten ein lindgrüner Triebkopf des Hochgeschwindigkeitszugs „Velaro“ für die Türkei. Die rot-weißen Regionalexpresse für Österreich sind fast fertig. Geradeaus werden Nahverkehrseinheiten für Thameslink endmontiert, dem engmaschigen Schienennetz rund um London.
Mittendrin: Eine Art Skelett. Außen weiß mit roten Streifen, können kundige Vielfahrer den halbfertigen Waggon leicht der Fernverkehrsflotte der Deutschen Bahn zuordnen. Hinter der Blechfassade aber baumeln 20 Kilometer Kabel in einen konfus wirkenden Innenraum. Gemütlichkeit? Fahrkomfort? Noch ist davon keine Spur.
Das Siemens-Werk in Krefeld-Uerdingen liegt knapp an der Duisburger Stadtgrenze. Die 2200 Belegschaftsmitglieder können wieder ruhiger schlafen. Verkaufsgerüchte sind passe. „Wir haben eine erhebliche Grundauslastung“, sagt Siemens-Manager Ralf Hermann. Aufträge für den Standort gibt es für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre. Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr bestellte eben 82 „RRX“-Doppelstöcker für das Revier. Die schwergewichtigste Order aber, die des ICx, hat der Staatskonzern DB hereingereicht. Es ist eine der größten der Bahn AG bisher.
Aufträge für 5,5 Milliarden Euro
130 der 250 Stundenkilometer schnellen Fernzüge sollen ab 2017 die langsameren, lokbespannten IC-Kompositionen auf dem nationalen Schienennetz ersetzen, später auch die die ersten beiden Generationen der ICE-Familie. 5,5 Milliarden Euro gehen dabei über den Tisch. Zwei Drittel des Volumens erhält Siemens, ein Drittel der kanadische Konzern Bombardier, der im Werk Siegen mit 1500 Mitarbeitern die Drehgestelle fertigt. Einmal zusammengebaut, werden die neuen Züge im Siemens-Testcenter Wildenrath erprobt. Man darf sagen: Die Zukunft des IC-Verkehrs ist „made in NRW“ .
Was die Bahnkunden davon haben? Schnittiges Zugdesign, höheres Tempo, würden Ingenieure loben. Dabei hat die vorgegebene ICx-Höchstgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometern unter Experten zunächst Stirnrunzeln provoziert: Machen die ICE’s nicht schon lange 300? Tun sie. Aber Bahnchef Rüdiger Grube, der die Konzernstrategie grundlegend umbaut, ist nicht mehr überzeugt, dass im eng besiedelten Deutschland immer höheres Tempo richtig ist. Zumal IC-Züge oft halten müssen.
Erwartungen an den ICx
Ganz geerdet äußern sich Eisenbahner zu solchen Fragen auch auf der Leserbriefseite der Mitarbeiterzeitung „DB Welt“. Klaus-Dieter Brüggenwerth aus Duisburg schreibt dort: „Meine Erwartung an den ICx ist, dass die Beleuchtung ausreichend ist, um ein Buch zu lesen“. Und dass das Ruheabteil gut gegen Handy-Empfang abgeschirmt werde. Leser-Kollege Altmann hofft auf ein ausreichendes Platzangebot. „Die Menschen werden im Schnitt immer größer“.
In Krefeld stehen solche Fragen noch nicht ganz im Mittelpunkt. Bei Siemens Uerdingen ist man zunächst stolz auf die 3D-gesteuerte Planung und das innovative Antriebssystem, das unter dem Begriff Powercar läuft. Ein Powercar ist ein Fahrgast-Waggon mit Lok-Eigenschaft. Ein siebenteiliger ICx wird drei solcher Motorteile haben, der zwölfteilige schon sechs. Die Powercars sind das Geheimnis der künftig kürzeren Reisezeiten auf den IC-Strecken. Denn nach den zahlreichen Stopps können die Triebzüge schneller beschleunigen.
Länger als die alten Waggons
Die Bahn will in den neuen Zügen mehr Fahrgäste mitnehmen. Die Wagen sind mit knapp 28 Meter länger als die heutigen IC- und ICE-Waggons. Das bedeutet: Mehr Sitzplätze. Das macht auch Tricksen bei der Innenausstattung möglich. Die Zugtoiletten – es sind „Nasszellen“ erstmals aus einem Stück – werden nicht nebeneinander, sondern gegenüberliegend angeordnet.
Ein neuer Stil zieht ein.