Einer Studie zufolge wird jedes zehnte Geschäft die digitale Revolution im Handel nicht überleben. Besonders kleine Läden sind Opfer des Online-Booms.
Essen.
Die meisten Deutschen gehen zumindest hin und wieder shoppen, für jeden vierten Bundesbürger zählt das Einkaufserlebnis in der Stadt laut einer Allensbach-Umfrage gar zur regelmäßigen Freizeitgestaltung. Weil trotzdem immer mehr Textilien, Bücher, Elektrogeräte und andere Waren im Internet eingekauft werden, dürfte das Angebot des stationären Handels in den Städten bald deutlich dünner werden. Mehr als jedes zehnte Ladenlokal wird den Siegeszug des Online-Shoppings nicht überleben – so prognostiziert es zumindest das Institut für Handelsforschung (IFH) bis zum Jahr 2020.
Davon werden das Ruhrgebiet, der Niederrhein und das Sauerland besonders betroffen sein, meinen die Kölner Forscher. Sie haben die Umsätze des stationären Einzelhandels für jeden einzelnen Kreis bis 2020 prognostiziert und dabei auch die Einwohnerentwicklung, die Onlineaffinität der Bewohner und die Kundenfrequenzen der lokalen Zentren und deren Attraktivität berücksichtigt.
Umsatzverluste bis 30 Prozent
In den meisten Revierstädten wie Duisburg, Essen und Bochum erwartet das IFH Umsatzverluste zwischen 15 und 30 Prozent, bessere Vorhersagen gibt es für Dortmund, Oberhausen und Mülheim mit 10 bis 15 Prozent geringeren Erlösen. In NRW sind einzig Köln und Düsseldorf im „grünen Bereich“, der bei einem Umsatzminus von sechs bis acht Prozent liegt.
Das IFH geht davon aus, dass sich die Einkaufsgewohnheiten weiter Richtung Kauf per Klick verschieben, der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz von rund elf auf zwölf bis 15 Prozent steigen wird. In Euro werden die Online-Umsätze laut Prognose des Handelsverbands Deutschland (HDE) 2015 erneut um knapp zwölf Prozent auf 43,6 Milliarden steigen.
Händler verkaufen online und stationär parallel
Dabei geht beileibe nicht jeder online bezahlte Euro dem stationären Handel verloren, wie HDE-Chefvolkswirt Olaf Roik betont. „Da mittlerweile viele Unternehmen parallel stationär und online verkaufen, bleibt der im Internet erzielte Umsatz zu einem guten Teil in der Kasse der auch stationär präsenten Händler“, sagte er dieser Zeitung. Auch Mittelständler würden davon profitieren. Roik sieht in dieser Doppelstrategie aber nicht für jeden Händler die Lösung. „Die Web-Shops müssen in Präsentation und Bezahlfunktion hochprofessionell gestaltet sein, sonst haben sie gegen die Konkurrenz keine Chance“, sagt er. Ein womöglich in Eigenregie gezimmerter Internetauftritt kleinerer Läden sei kein Selbstläufer. „Dann kann es im Einzelfall auch die bessere Strategie sein, gezielt in seinen Laden zu investieren.“ Gelingt weder das eine noch das andere, dürften vor allem kleinere Läden dem „Kannibalisierungseffekt“ zum Opfer fallen, also jene Geschäfte, die das Einkaufen für viele erst zum Erlebnis machen, weil sie auch Waren abseits der Massensortimente führen.
Der HDE hält die düstere Prognose des IFH für realistisch, schätzte unlängst selbst, die Online-Konkurrenz werde rund 50.000 Ladenlokale bis 2020 verschwinden lassen. Allerdings sei das „nicht in Stein gemeißelt“, wie Roik sagt, die Städte könnten die Entwicklung beeinflussen. Der Chefvolkswirt rät ihnen, gezielter in ihre Innenstädte zu investieren. „Sauberkeit, Sicherheit und der richtige Mix aus Gastronomie, Kultur und Freizeit spielen eine große Rolle.“