Weiche Standortfaktoren werden für Unternehmen immer wichtiger. Dazu zählt vor allem die Betreuung von Kindern. Immer mehr Betriebs-Kindertagesstätten entstehen.
Essen. „.
Familienfreundlichkeit von Unternehmen ist ein echter Standortfaktor geworden“, sagt Christiane Flüter-Hoffmann, Projektleiterin für Personalpolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Wer im härter werdenden Kampf um Fachkräfte mithalten wolle, müsse dafür sorgen, dass Familie und Beruf besser vereinbar seien. Dies gelte für die Betreuung von Kindern ebenso wie für Hilfen für pflegende Angehörige.
Einer 2010 veröffentlichten Studie zufolge ist Familienfreundlichkeit für 80 Prozent der deutschen Unternehmen wichtig, aber nur 2,4 Prozent der Firmen konnten eigene Kita-Plätze vorweisen. „Bisher waren viele Manager und Geschäftsführer der Meinung, dass das eine Aufgabe ist, die Land und Kommunen zu erledigen haben“, sagt Christiane Flüter-Hoffmann. Eine Auffassung, die sich auflöse, weil Deutschland vor allem bei der Betreuung Unter-Dreijähriger nur langsam vorankomme. Bis 2013 soll bundesweit eine Quote von 35 Prozent erreicht sein. Experten bezweifeln erstens, dass dies gelingt und zweitens, dass damit der Bedarf gedeckt werden kann.
Immer mehr Unternehmen erkennen das. Drei Beispiele: RWE, Thyssen-Krupp, Siemens. Am Standort Essen investiert RWE derzeit 3,2 Millionen Euro für 105 Plätze in sieben Gruppen. Der Staat hilft mit Fördergeldern. Er trägt bis zu 90 Prozent der Investitionskosten. „Lumiland“ soll die neue Kita heißen. Sie wird wahrscheinlich nicht die letzte im Ruhrgebiet bleiben. Auch in Dortmund prüft RWE die Möglichkeiten. Thyssen-Krupp will bis spätestens 2012/2013 eine Betriebs-Kita mit etwa 100 Plätzen in Essen eröffnen. Siemens plant eine mit 80 Plätzen am größten seiner 40 NRW-Standorte in Mülheim. In Duisburg eröffnete bereits im Mai 2009 ein Siemens-Kindergarten.
Steigende Zahlen
Land und Bund melden steigende Zahlen: In NRW gab es 59 Betriebskindergärten am 1. März 2008, im März 2010 waren es 84. Bundesweit wuchs die Zahl der Plätze in firmeneigenen Kitas von 2008 bis 2010 um 1500 auf 18 000.
Auch Rena Fischer-Bremen bestätigt den Trend. 1995 hat sie in Essen das Unternehmen Kinderhut gegründet. Das berät Firmen und betreibt Betriebs-Kitas – flexibel in den Öffnungszeiten, bei Bedarf im Schichtbetrieb. Zehn sind es aktuell – in Essen, Ratingen, Düsseldorf, Neuss, Köln, Hannover oder Stuttgart. „Es wird mehr Betriebs-Kitas geben, weil es so kommen muss“, sagt Fischer-Bremen. „Der Druck auf Unternehmen steigt enorm, die Beschäftigten stimmen mit den Füßen ab. Betreuung ist mittlerweile schon in Bewerbungsgesprächen ein Thema.“ Die Lebenswelt für Familien sei komplizierter geworden, von Seiten des Staates passiere zu wenig. Und das, obwohl Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung seit langem in der Diskussion seien.
Der Annahme, nur Großkonzerne könnten die Kosten für Firmen-Kitas stemmen, widerspricht Fischer-Bremen. Geld dürfte auch für kleinere Unternehmen kein Hindernis sein. Sie könnten sich zusammenschließen, was hier und da bereits geschehe. Die staatliche Förderung führe in der Regel dazu, dass am Ende nur neun Prozent der Betriebskosten von den Firmen zu stemmen sind. Ein Kita-Platz koste 1000 bis 1500 Euro pro Monat. Fischer-Bremen: „Wenn man sich anguckt, wie viel Geld Unternehmen für Personalentwicklung ausgeben oder in teure Trainingsprogramme zur Rückkehr von Müttern investieren, sind die Kosten marginal.“
90 Prozent öffentliche Förderung
Das Kinderförderungsgesetz macht’s möglich: Bund, Länder und Kommunen fördern die Kosten für den Bau eines neuen Kindergartens für die Betreuung Unter-Dreijähriger mit bis zu 90 Prozent. Das Gesetz läuft bis 2013 und soll dazu führen, dass die Betreuungsquote für Kleinkinder auf 35 Prozent steigt. 2010 lag sie in NRW bei 14 Prozent. Darüber hinaus gibt es Geld aus dem Europäischen Sozialfonds. Ein Programm fördert zusätzliche Gruppen mit mindestens sechs Plätzen für Mitarbeiterkinder bis zum dritten Lebensjahr. Bezahlt werden 50 Prozent der Betriebskosten, maximal 6000 Euro pro Jahr und Platz für bis zu zwei Jahre. Das Programm, läuft Ende 2012 aus. Generell gilt: Betriebskindergärten können in die Förderrichtlinien der Bundesländer überführt werden. Unternehmen in NRW zahlen dann einen Betriebskostenanteil von etwa neun Prozent, Eltern die ortsüblichen Elternbeiträge. Voraussetzung ist, dass nicht nur Kinder von Beschäftigten aufgenommen werden.
Manche Firma kommt aber auch ohne Steuergelder aus. Sie zahlt dann in der Regel die Hälfte der Betriebskosten. Die andere Hälfte müssen die Eltern beisteuern. In Privat-Kitas kostet ein Monat Kleinkind-Betreuung zwischen 300 Euro und 500 Euro.