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Städte und SPD-Politiker begehren gegen RWE auf

Städte und SPD-Politiker begehren gegen RWE auf

Essen. 

Die Ruhrgebietsstädte begehren gegen den Atomkurs des Essener Energieriesen RWE auf und bringen Konzernchef Jürgen Großmann in Bedrängnis. Denn RWE ist der einzige Versorger, der gegen die von der Bundesregierung nach der Reaktor-Havarie in Fukushima verfügte vorübergehende Abschaltung von Atomkraftwerken klagt.

Anlass für die Protestwelle ist die RWE-Klage gegen die von der Bundesregierung verfügte Abschaltung des Atomkraftwerks in Biblis. Die drei anderen Atomkonzerne Eon, EnBW und Vattenfall, die nach dem Unglück von Fukushima ebenfalls Meiler vom Netz nehmen mussten, verzichten auf Rechtsmittel.

Der Essener Bundestagsabgeordnete Rolf Hempelmann fordert im „Handelsblatt“ personelle Konsequenzen und die Ablösung von Vorstandschef Großmann, dessen Vertrag noch bis Mitte 2012 läuft: „Sinnvoller wäre es, wenn sich gerade ein Traditionskonzern wie RWE an die Spitze einer Energiewende stellen würde.“

Großmanns Ablösung gefordert

Großmanns Ablösung fordert indirekt auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Eiskirch: „RWE hat offenbar kein Energiekonzept für die Zukunft. Der Aufsichtsrat muss sich Gedanken machen, ob das Personal zur Strategie passt.“

Die kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat, die 25 Prozent der RWE-Anteile halten, hatten sich bereits 2009 erfolgreich gegen ein Atomprojekt gestemmt. Auch aufgrund des Widerstands aus den Kommunen gab RWE den Plan auf, im bulgarischen Belene einen Meiler zu bauen.

Konsens in Frage gestellt

Im Vorfeld der Hauptversammlung am 20. April bekommt es Großmann erneut geballt mit den lokalen Politikern zu tun. Der Rat der Stadt Mülheim verabschiedete am Donnerstagabend eine Resolution. Darin wird Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) aufgefordert, in ihrer Eigenschaft als RWE-Aufseherin den Konzern-Vorstand zu bewegen, die Klage gegen die Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis A zurückzunehmen. Aus Sicht der Mülheimer Ratsmehrheit ist es „unverantwortlich, den sich anbahnenden Konsens in Politik und Gesellschaft zum Ausstieg aus der Atomenergie seitens der RWE juristisch zu unterlaufen.“

Mühlenfeld kündigte an, die Resolution im RWE-Aufsichtsrat vorzutragen. Ob sie eine Sondersitzung des Gremiums beantrage werde, ließ die Politikerin zunächst offen.

Widerstand aus Mülheim, Essen und Dortmund

Widerstand gegen die RWE-Klage gibt es auch in Essen: Die Grünen haben OB Reinhard Paß (SPD), der im Aufsichtsrat von RWE Power sitzt, aufgefordert, sich gegen die Klage einzusetzen. Es sei „geschäftsschädigend“, so die Fraktionsvorsitzende Hiltrud Schmutzler-Jäger, dass RWE starr am Atom festhalte. Die Essener SPD begab sich per Parteitagsbeschluss auf Atom-Ausstiegskurs.

Mit den Stimmen von SPD, Grünen und der Linken sprach sich der Rat der Stadt Dortmund am 31. März für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie aus. Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), der am 20. April Nachfolger von Ex-OB Gerhard Langemeyer im RWE-Aufsichtsrat werden soll, wurde beauftragt, sich dafür im Kontrollgremium des Energieversorgers einzusetzen.

Sierau will sich im Vorfeld der Wahl am nächsten Donnerstag nicht dazu äußern, wie er mit der Resolution umgehen will. Der Sozialdemokrat macht aber kein Geheimnis daraus, dass er seit über 30 Jahren erklärter Atomkraft-Gegner ist und an mehreren Protestkundgebungen teilnahm. Der Dortmunder SPD-Fraktionsvorsitzende Ernst Prüsse sagte dieser Zeitung: „Die SPD erwartet, dass Herr Sierau bei RWE der Resolution zur Verwirklichung verhilft.“

Gegenwind vor Hauptversammlung

Aber nicht nur aus den Städten weht RWE-Chef Großmann der Wind ins Gesicht: Der Dachverband der Kritischen Aktionäre will bei der Hauptversammlung den Antrag stellen, dem Konzernvorstand die Entlastung zu verweigern. Zur Begründung schreiben die Kritischen Aktionäre: „Mit dem Beharren auf Atom- und Kohleenergie verpasst der RWE-Vorstand die Energiewende und gefährdet nicht nur die Sicherheit und das Klima, sondern setzt den langfristigen Wert des Unternehmens aufs Spiel.“

Die Protestwelle scheint Großmann bislang allerdings wenig zu beeindrucken. Das „Handelsblatt“ zitiert ihn mit den Worten: „Ich habe doch keine Kernkraftwerke gebaut.“ Die Abschaltung von Biblis koste RWE einen „dreistelligen Millionenbetrag“.

Wahrung der Aktionärs-Interessen

Der RWE-Vorstand hält in einer schriftlichen Erklärung an der Klage fest: „Nach unserer Rechtsauffassung sind die Voraussetzungen der angeführten Rechtsgrundlage nicht erfüllt. Die deutschen Kernkraftwerke erfüllen die geltenden Sicherheitsanforderungen. Für eine Betriebseinstellung fehlt daher die rechtliche Grundlage. Mit dem Schritt der Klageerhebung stellt RWE die Wahrung der Interessen seiner Aktionäre sicher.“

Mit dieser Auslegung ist RWE aber isoliert. Die anderen drei deutschen Atomkonzerne Eon, Vattenfall und EnBW verzichten auf Klagen gegen das Moratorium. Großmann steht also allein da. Aufsichtskreise weisen Gerüchte zurück, dass der 59-Jährige in den nächsten Wochen ohnehin den Chefsessel bei RWE räumen wolle.