Die Gewerkschaft Verdi wirft dem Tiefkühl-Marktführer eine Spitzel-Attacke auf den Computer eines Betriebsrats vor. Dieser hatte angeblich während der Arbeitszeit ein Betriebsratsschreiben verfasst – und wurde gekündigt. Wie Bofrost an das Schreiben gekommen war, steht dabei zur Diskussion. Es ist ein erbitterter Rechtsstreit zwischen Verdi und Bofrost.
Essen.
Dass es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat knirscht, kommt vor. So wäre der Zwist im Hause Bofrost allein für die hierzulande 6300 Beschäftigten von Europas größtem Tiefkühlkost-Bringdienst interessant. Doch in Straelen geht es um Grundsatzfragen des Datenschutzes. Es geht um den Vorwurf, dass Computer des Betriebsrats ausgespäht werden, und darum, ob der Arbeitgeber bestimmte Dateien benutzen darf, um einem Betriebsrat zu kündigen. Darum liefern sich die Parteien einen erbitterten Rechtsstreit, der am Mittwoch am Landesarbeitsgericht Düsseldorf in die nächste Instanz geht.
Die Gewerkschaft Verdi hat Bofrost für den „Big Brother Award 2012“ nominiert, wirft dem Unternehmen den Einsatz von Spionagesoftware vor und organisiert Protest. Der Tiefkühl-Marktführer nimmt den Kampf an und geht durch die Instanzen.
Konkret will das Familienunternehmen eine Datei, die sich auf dem Computer eines Betriebsrats befunden hat, gegen ihn verwenden dürfen. Sie soll beweisen, dass der nicht freigestellte Betriebsrat während der Arbeitszeit ein Betriebsratsschreiben aufgesetzt und damit Arbeitszeitbetrug begangen habe. Dieser Vorwurf führte zur fristlosen Kündigung des Betriebsrats. Das besagte Schreiben ist eine Stellungnahme des Betriebsrats zu drei betriebsbedingten Kündigungen von Bofrost-Mitarbeitern.
Fallstricke digitaler Spuren
Die bisherigen Gerichtsverfahren offenbaren die Fallstricke, die digitale Spuren im Streit zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten für beide Seiten mit sich bringen. Daraus, dass Bofrost die Kündigung des Betriebsrats mit besagtem Schreiben begründete, ergab sich für das Arbeitsgericht Wesel in einem Verfahren im Dezember 2011 die Frage, wie das Unternehmen an diese Information kommen konnte. Dass die Datei auf dem Server des Betriebsrats geöffnet wurde, sei vom Arbeitgeber „bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geleugnet worden“, heißt es in dem Gerichtsbeschluss. Das Gericht sah es aber als erwiesen an, dass die Datei geöffnet wurde, erkannte eine „Wiederholungsgefahr“ und verbot Bofrost, weiterhin auf Betriebsratsdaten zuzugreifen (AZ: 3BV9/11).
In einem anderen Verfahren wurde Bofrost erstinstanzlich untersagt, die kompromittierende Datei zu verwerten (Az: 5BV14/11). Beide Verfahren gehen in die nächste Instanz.
Wie wurde auf die Datei zugegriffen?
Interessant ist auch die Frage, wie auf die Datei zugegriffen wurde. Sie ist nach wie vor ungeklärt. Geklärt ist nur, dass Bofrost ein auf den Betriebsrats-Computern installiertes Programm nicht mehr benutzen darf. Das Unternehmen nennt es „Wartungssoftware“ – Verdi nennt es „Spionagesoftware“. Bofrost willigte bei einem Gütetermin ebenfalls vor dem Arbeitsgericht Wesel ein, die Verwendung dieses Programms zu unterlassen. Mit dem Antrag, die Protokolldateien zurückverfolgen zu dürfen, scheiterte der Betriebsrat seinerseits vor dem gleichen Gericht (Az: 5BV17/11).
Der Streit darum, ob die wie auch immer erlangten Informationen gegen den Betriebsrat verwendet werden dürfen, geht weiter – und der Ausgang könnte von weit reichender Bedeutung auch für Betriebsräte anderer Unternehmen sein. „Bofrost ist von seiner Rechtsposition überzeugt“, lautet der Kommentar eines externen Pressebüros, das die Anfrage der WAZ-Mediengruppe an den niederrheinischen Tiefkühl-Lieferanten von Frankfurt aus beantwortet.
Verdi verhinderte Streichung von Prämie
Verdi hebt an zur Generalkritik: „Bofrost will ein Exempel statuieren und damit den Betriebsrat mundtot machen“, sagt Martin Petig, bei Verdi zuständig für den Großhandel in Duisburg und am Niederrhein. Begonnen habe das 2009, als Bofrost zum ersten Mal bestreikt wurde. Seinerzeit wollte Verdi verhindern, dass den Arbeitern im Tiefkühl-Lager die Prämie von 600 Euro gestrichen wird. Man habe sich letztlich geeinigt, doch seitdem herrsche Eiszeit zwischen Betriebsrat und der Unternehmensführung um Beirat Thomas Stoffmehl und Michael Boquoi, dem Sohn des Gründers Josef H. Boquoi.