S-Bahnen im Ruhrgebiet waren in diesem Frühjahr mit einem defekten Notbrems-System unterwegs. Um Sicherheitslücken auszuschließen, fuhren 150 Signalbeobachter im Führerstand mit: Bürokräfte, Bahnmanager sowie „in Einzelfällen Familienangehörige von Lokführern“.
Essen.
S-Bahnen im Ruhrgebiet sind in diesem Frühjahr über zehn Wochen mit einem defekten Notbrems-System unterwegs gewesen. Um Sicherheitslücken auszuschließen, hat die Bahn das Tempo von 140 auf 100 Stundenkilometer reduziert und in dieser Zeit 150 Signalbeobachter für die Mitfahrt auf den Führerständen angeheuert: Meist ehemalige Lokführer, aber auch Bürokräfte, Bahnmanager sowie „in Einzelfällen Familienangehörige von Lokführern mit Vorkenntnissen“, sagte ein Bahnsprecher.
Sie wurden in einem eintägigen Kurs mit dem Signalsystem vertraut gemacht, wie die „Rheinische Post“ berichtet, der Einsatz habe das Unternehmen sieben Millionen Euro gekostet.
Während der Chef von DBRegio in NRW, Heinrich Brüggemann, die Aktion für einen vollen Erfolg hält, weil im Ruhrgebiet die Fahrzeiten trotz der Elektronikpanne ohne große Verspätungen eingehalten werden konnten und die einsatzbereite Belegschaft lobt, halten die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) und die Landesregierung das Vorgehen für höchst problematisch.
Eisenbahnbundesamt soll Not-Aktion genehmigt haben
Der nordrhein-westfälische Verkehrsstaatssekretär Horst Becker (Grüne) sagte der WAZ, mit der Bahn müsse darüber gesprochen werden. „Wir werden sie zur Stellungnahme auffordern“. Vor allem müsse aber auch das Eisenbahnbundesamt gefragt werden. Das soll nach Angaben von DBRegio von Anfang an in die Not-Aktion eingebunden gewesen sein und sie genehmigt haben.
Becker: „Es scheint mir schon verwegen zu sagen, ein ausgebildeter Lokführer reicht in dieser Situation nicht aus, andererseits aber einen Verwandten nach einem Crashkurs einzusetzen. Ich habe da ein paar Fragen“.
Fehler beim Hersteller Bombardier
Frank Schmidt, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Lokführer in NRW, bezweifelt, dass ausreichende Kenntnisse über den Einsatz von Signalen in einem eintägigen Kurs vermittelt werden können. „Gerade im Ruhrgebiet sind derzeit sehr viele Baustellen eingerichtet. Da gibt es nicht nur Haupt- und Vorsignale“. Es sei „bedenklich, nicht ausgebildete Leute einzusetzen“, sagte er.
Der Ausfall der Elektronik in den erst seit 2010 eingesetzten neuen 60 Triebwagen des Typs ET 422 geht auf Fehler beim Bau durch den Hersteller Bombardier zurück. Das Unternehmen hat sich inzwischen dafür entschuldigt. Doppelte Besatzungen in den S-Bahn-Cockpits gab es nach Angaben der Bahn in den Linien S 2 (Duisburg-Herne-Dortmund), S 3 (Hattingen-Oberhausen), S 4 (Lütgendortmund – Unna), S 5 (Hagen-Dortmund) und S 9 (Wuppertal-Haltern).