Die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet fordern ein Ende der öffentlichen Verschuldung. Sie melden aber gleichzeitig Bedarf für mehr Bundeszuschüsse an, um Straßen- und Schienenprojekte im Revier voranzubringen.
Gelsenkirchen.
Der Ruhrwirtschaft geht’s gut. Das ergab die Herbstumfrage der Kammern. Die Unternehmer im Revier verlieren angesichts der Schuldenkrise aber das Vertrauen in die Politik auf allen Ebenen.
„Griechenland ist mitten unter uns“, bringt Benedikt Hüffer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, die Kritik der Wirtschaft auf den Punkt. Die Überschuldung der Ruhrgebietsstädte sei „bedrohlich und erschreckend“ und müsse beendet werden. „Es wird allerhöchste Zeit, die Grenzen des Machbaren und Vertretbaren deutlich zu machen, um dem fortlaufenden Schuldenmachen ein Ende zu setzen“, sagte Hüffer bei der Vorstellung des Ruhrlageberichts gestern in Gelsenkirchen.
Doch nicht nur die Kommunen, die nicht mehr investieren können, bereiten der Wirtschaft Sorgen. „Die Verunsicherung nimmt zu“, meint der IHK-Präsident und zählt als Gründe neben der langsamer wachsenden Weltwirtschaft und den Zweifeln an der Bankenbonität ausdrücklich auch die Schuldenkrise im Euro-Raum auf. Faktoren, die den aktuellen Schwung der Ruhrwirtschaft „merklich verlangsamen“ würden. „Es wäre das beste Konjunkturprogramm, Vertrauen zu schaffen“, appellierte Hüffer an die Bundesregierung.
900 Unternehmen befragt
Die skeptische Einschätzung der 900 befragten Unternehmen im Revier spiegelt sich in der Herbst-Konjunkturumfrage wider: Zwar bezeichnen immer noch 41 Prozent der Firmen aller Branchen ihre derzeitige Geschäftslage als „gut“ und nur jede elfte als „schlecht“. Ihre Einschätzung der künftigen Geschäftsentwicklung erhält aber einen spürbaren Dämpfer: Der Anteil der Unternehmen, die mit besseren Geschäften rechnen, ist von 32 Prozent am Jahresanfang auf jetzt 19 Prozent gesunken. Im Umkehrschluss erwarten 18 statt zehn Prozent eine Verschlechterung. IHK-Präsident Hüffer betont aber dennoch, dass das Konjunkturklima im Revier in diesem Herbst mit 116 Punkten „deutlich über dem langfristigen Mittel“ von 98 Punkten liege.
Risiko Euro-Krise
An erster Stelle der Risiken steht die Inlandsnachfrage. 53 Prozent der Unternehmen befürchten, dass sie zurückgehen wird. Die europäische Schuldenkrise belasten 43 Prozent.
Auf Rang drei folgen die immens steigenden Preise für Rohstoffe und Energie. Davon betroffen ist in erster Linie die Industrie, die angesichts der schwächer werdenden Konjunktur ihre höheren Kosten nicht an die Kunden weitergeben könne. Die IHK-Umfrage ergab, dass die Industrie zudem über stark rückläufige Auftragseingänge insbesondere aus dem Ausland klagt.
Mehr Personal
Bei aller Skepsis gibt es aber auch gute Nachrichten: Jedes fünfte Unternehmen will seine Belegschaften aufstocken, nur jedes achte reduzieren. Tendenziell ist die Bereitschaft für Neueinstellungen in der Dienstleistungsbranche höher als in Industrie und Handel.
Gefragt sind Ingenieure und technische Berufe. Es folgen Jobs im Service. Jeder vierte Betrieb sucht Personal mit kaufmännischer Ausbildung, im Handel sogar jeder zweite. IT-Experten stehen an vierter Stelle.