Rekordstreik bei der Bahn – wer stoppt GDL-Chef Weselsky?
Neue Geduldsprobe für Bahnfahrer: Von Montag bis Sonntag will die GDL streiken. Das ist kein normaler Arbeitskampf, sondern Erpressung. Ein Kommentar.
Essen.
Irgendwie glauben wir das nicht. Zum achten Mal – gefühlt: die letzten zwölf Monate durchgehend – legt Claus Weselsky, 55, gelernter Triebfahrzeugführer, Deutschlands Schienenverkehr still. Diesmal sechs Tage am Stück. Das reicht an Freiheitsberaubung im Alltag heran.
Ja, wenn der Ausstand der Lokführer wenigstens Sinn machte. Wenn er so begründet wäre wie der der Kita-Belegschaften, der die Familien im Land auch nicht unbedingt erfreut. Wenn er den Frauen und Männern auf der Maschine mit ihrem im Verhältnis zur Verantwortung unterdurchschnittlichen Gehalt von 2700 Euro brutto im Monat doch grundsätzlich mehr Geld oder auch etwas komfortablere Arbeitszeiten beschaffen sollte.
GDL-Chef Weselsky will Alles oder Nichts
Soll er aber nicht, wie die brüske Ablehnung des Bahnangebots durch die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) zeigt. 4,7 Prozent ab 1. Juli in zwei Stufen und 1000 Euro Einmalzahlung? Viele Lokführer-Haushalte könnten das gebrauchen. Claus Weselsky kann es nicht gebrauchen. Er will anderes. Er will Alles oder Nichts. Er will das letzte Gefecht.
Es geht dem GDL-Chef nicht um Lohn. Würde er sonst kampflos Tarifverträge mit Privatbahnen abschließen, die zweistellig unter denen für die Staatsbahn liegen? Es geht dem GDL-Chef auch nicht unbedingt um weniger Arbeitszeit. Es geht ihm um das Ringen mit der großen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, die bisher der moderate Verhandlungspartner der Bahn war und dies bleiben will.
Ein Machtmensch, dem der Machtverlust droht
Weselsky fürchtet das Tarifeinheitsgesetz. Noch im Mai könnte der Bundestag die neuen Regeln verabschieden und sie im Somnmer in Kraft setzen. Danach sollen in einem Betrieb nur noch die Tarifverträge gelten, die mit der Gewerkschaft ausgehandelt sind, die die meisten Mitglieder in diesem Betrieb hat. Bei der Bahn also: Weitgehend die EVG. Bei allen sachlichen (was ist ein Betrieb?) und auch verfassungspolitischen Zweifeln an diesem Gesetz, dessen wackliges Rechtskonstrukt übrigens auch die Bahn stört: Dem Machtmenschen Weselsky würde es einfach die Macht rauben. Darum geht es ihm.
Hier kommen wir zum Kern der Sache. Das ist kein normaler Arbeitskampf. Er wäre längst am nächtlichen Verhandlungstisch oder durch einen Schlichter entschieden worden. Es ist ein politischer Erpressungsversuch. Die Geiseln dieser Erpressung sind Millionen Bahnpendler, die nicht pendeln können und auch Millionen Autofahrer, die auf den ohnehin verstopften Autobahnen im Rheinland und im Ruhrgebiet nur noch schrittweise vorankommen, weil die stehen gelassenen Bahnfahrer das Auto nutzen.
Verwüstungen in der tarifpolitischen Landschaft
Auch die, die um des Streikrechtes der Arbeitnehmer wegen das Tarifeinheitsgesetz ablehnen, werden spätestens hier an der eigenen Position zu zweifeln beginnen. Claus Weselsky liefert mit den Verwüstungen, die er in der tarifpolitischen Landschaft anrichtet, selbst die besten Argumente dafür, mit dem Grundsatz „ein Betrieb, ein Tarif“ die stärkste Gewerkschaft weiter zu stärken. Er demontiert sich und den Einfluss seiner Lokführer. Und er kann nicht mehr raus aus dieser Spirale der Zuspitzung.
Im Namen der Millionen Geschädigten, zu denen nicht zuletzt das Personal auf den Zügen zählt: Wer stoppt Claus Weselsky?