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Reisende müssen bei der Bahn mit noch mehr Streiks rechnen

Bahnfahrer müssen mit noch mehr Streiks rechnen

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Der Tarifstreit bei der Bahn eskaliert: Die Privatbahnen kündigen Verhandlungen mit den Lokführern auf. Nun droht ein harter Arbeitskampf. Die Gewerkschaft will nun verstärkt beim Güterverkehr auf die Bremse treten. Das trifft die Industrie.

Berlin. 

Die Lokführergewerkschaft GDL hat am Freitag den Bahnverkehr mit einem dritten Warnstreik zeitweilig lahmgelegt. Unterdessen haben die Privatbahnen das gemeinsame Mandat für Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag für die Zugführer aufgelöst. Der Streit eskaliert.

Die Tarifparteien stehen sich unversöhnlich gegenüber und schieben sich für die Ausweitung des Konfliktes gegenseitig die Schuld zu. „Wir haben den Verdacht, dass die Arbeitgeber bewusst Arbeitskämpfe produzieren wollen“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky, der in dieser Woche von der Deutschen Bahn vorgelegtes Angebot als „Provokation“ ansieht. In der kommenden Woche könnte die Wucht des Arbeitskampfes deshalb deutlich zunehmen.

Denn am Montag soll das Ergebnis der Urabstimmung unter den Lokführern vorliegen, die weiteren Streiks wohl zustimmen werden. Von einer unbefristeten Stilllegung des Bahnverkehrs mag Weselsky aber noch nicht reden. Die Kunden müssen sich jedoch auf zunehmende Ausfälle im Zugverkehr gefasst machen. An diesem Wochenende wird der Nah- und Fernverkehr noch normal laufen.

Druck aus der Wirtschaft auf die Bahn

Die GDL kündigte zudem einen taktischen Schwenk an. Statt wie bisher vor allem Personenverkehr will die Gewerkschaft ab sofort auch verstärkt beim Gütertransport auf die Bremse treten. Diese Strategie trifft insbesondere die Industrie, weil zum Beispiel Autoproduzenten schnell das Material ausgeht. Beim großen Streik vor vier Jahren schwoll der Druck aus der Wirtschaft auf die Bahn schnell an. Darauf hofft die GDL wieder. Im Nahverkehr ist die Wirkung von Streiks zwar öffentlichkeitswirksam, trifft aber die Arbeitgeber nur begrenzt, weil die meisten Fahrgäste mit bereits bezahlten Zeitkarten unterwegs sind.

Ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Im gegenteil. Die ohnehin schon schwierige Lage ist am Freitag noch komplizierter geworden. Der Verhandlungsverbund der sechs größten Privatbahnen, die so genannten G6, hat sich aufgelöst. Nun muss die GDL mit jedem privaten Bahnunternehmen einen Haustarifvertrag aushandeln. Der bundeseinheitliche Vertrag ist damit in weite Ferne gerückt. „Der Bogen ist überspannt“, stellte die bisherige G6-Verhandlungsführerin Ulrike Riedel fest, „es geht nicht um das Entgelt, es geht um die Beherrschung der Lokführer.“

„Die GDL führt die Öffentlichkeit hinters Licht“

Verärgert über die GDL ist auch die Deutsche Bahn (DB). Personalvorstand Ulrich Weber fordert ein Ende der Streiks und warf Weselsky falsche Behauptungen vor. Weder werde den Lokführer das Weihnachtsgeld gestrichen, noch verlange die DB eine Stunde Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. „Die GDL führt die Öffentlichkeit hinters Licht“, stellte Weber fest.

Wer lügt und wer die Wahrheit sagt, lässt sich kaum beurteilen. Vordergründig geht es um eine lösbare Aufgabe. Die Lokführer wollen eine Rahmentarifvertrag für alle Bahnunternehmen durchsetzen. Das wollen auch die Arbeitgeber. Doch die GDL will die vergleichsweise guten Löhne der DB auf alle Bahnen ausweiten. Da spielen die Privatbahnen nicht mit. Sie wollen sich eine gewisse Abweichung des Lohnniveaus nach unten offen halten. Mit der viel größeren Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) wurde eine solche Vereinbarung bereits abgeschlossen.

Doch die GDL führt noch weitere Forderungen an, etwa den Kündigungsschutz für arbeitsunfähige Zugführer. Die DB behauptet, diesen gebe es bereits. Doch derlei Wortgefecht sind wohl nur Nebenkriegsschauplätze. Die GDL hat offenkundig vor allem eines im Sinn. Sie will den Alleinvertretungsanspruch für alle 26.000 Lokführer in Deutschland für sich gewinnen. Derzeit hat sie nur beim DB-Konzern die Verhandlungsvollmacht. Bei den Privatbahnen ist sie teilweise sehr schwach organisiert.

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