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Präzision in Rohren – aber nicht für jedes Land

Präzision in Rohren – aber nicht für jedes Land

Menden. 

Ein Kran zieht an einer Kette den glühend heißen Rohr-Rohling aus dem acht Meter tiefen Loch im Boden, aus dem er herausragt. Ein Gießerei-Arbeiter dirigiert ihn per Handsteuerung vorsichtig auf einen Lagerplatz. Beim langsamen Kippen in die Waagerechte sprühen die Funken vom rotglühenden Metall wie von einer Million gigantischer Wunderkerzen. Schutzkleidung und ein Helm mit Visier sind in der Gießerei Pflicht.

Was hier in vielen Arbeitsschritten entsteht und in Kraftwerken, Raffinerien und Meerwasserentsalzungsanlagen auch von Kreuzfahrtschiffen auf der ganzen Welt Verwendung findet, ist kein x-beliebiges, sondern ein Präzisionsrohr von 10 bis 90 Millimeter Durchmesser. Gefertigt von der Mendener Präzisionsrohr und Wärmetechnik GmbH (MPG), einer der zahlreichen Weltmarktführer aus Südwestfalen.

Bekenntnis zum Standort

„In Europa sind wir die Nummer 1“, präzisiert Geschäftsführer Dr. Andreas Gahl (49). „Und im Mittleren Osten und in Nordafrika unter den Top 3.“ In Westeuropa gibt es keinen weiteren Anbieter für kupferlegierte Wärmetauscherrohre mehr. Wohl aber in Indien, China, Russland, Polen, Korea, Mexiko. Der Preiskampf ist hart. „Wir kommen zum Zuge, wenn indische oder chinesische Produkte ausgeschlossen werden“, sagt der promovierte Betriebswirt mit Schwerpunkt Restrukturierung. „Die sind 10 bis 20 Prozent kostengünstiger als wir. Aber qualitativ sind wir die besten.“ Menden ist der einzige Standort und soll es auch bleiben. „Ich stehe zum Standort Deutschland“, betont Gahl, der mit seinem Co-Geschäftsführer Claus Knüppe schon 20 Jahre zusammenarbeitet, seit 2004 bei MPG.

Was sind das für besondere Rohre, um die sich selbst arabische Scheichs reißen? Sie dienen der Wärmeübertragung in Großanlagen der Industrie – Raffinerien und Kraftwerke gibt es etwa im Mittleren Osten zuhauf. Man will damit etwas erwärmen oder kühlen. Wärmeenergie wird dabei ohne Zwischenspeicherung durch Wände von einem Körper auf einen zweiten übertragen. Im Inneren eines Hohlzylinders aus Stahlblech befinden sich hunderte Rohre mit einer geringen Weite. Das erste Medium strömt durch den Blechzylinder, das zweite durch die Rohre. Das heiße Medium kühlt ab, das kältere wird aufgeheizt.

200 Kilometer pro Monat

Was so einfach klingt, ist technisch kompliziert, denn die Wärmetauscherrohre auf Kupfer-Nickel-Basis, die bis zu 40 Jahre halten, müssen hohe Anforderungen erfüllen. Ihre Länge und ihr geringer Durchmesser führt zu kuriosen Mengenangaben. „Wir verkaufen 150 bis 200 Kilometer im Monat“, erklärt der Geschäftsführer. „Das sind 150 bis 200 Tonnen.“ Die Internationalisierung des Geschäfts belegen folgende Zahlen: Vor zehn Jahren lag der Umsatzanteil des Inlandsgeschäfts nominell bei 95 Prozent, die Exportquote betrug dennoch 80 Prozent, weil die deutschen Kunden die Rohre aus Menden in Auslandsanlagen verbauten. Heute liegt der Inlandsanteil bei 30 Prozent, 70 Prozent werden exportiert.

Gahl will sich nicht verzetteln, er geht Region für Region vor und zieht erst dann weiter, „wenn wir Marktführer sind.“ Nächstes Ziel: die USA und Malaysia. Beim staatlichen Ölkonzern Saudi Arabiens geschäftlich Fuß zu fassen, hat Gahl zufolge drei Jahre gedauert: Nur. „Wir liefern in einer Produktkategorie, die als wichtig angesehen wird.“ Dreimal im Jahr ist er rund eine Woche lang in Saudi Arabien und sagt: „Deutschland hat dort einen extrem guten Ruf.“

Im Moment ist der Markt gerade schwach, der Auslastungsgrad in Menden beträgt 80 Prozent. Aber Gahl ist nicht bange. Gerade sind zwei Großaufträge aus dem Irak und den Niederlanden eingegangen. Bei den Kunden macht er feine Unterschiede: „Den Iran und Russland beliefern wir nicht und Atomkraftwerke nur in demokratischen Ländern.“ Und die politisch ganz heiklen Fälle? „Aufträge der Rüstungsindustrie haben wir immer abgelehnt und werden das auch weiterhin tun.“