Revierkommunen führen bei Gewerbe- und Grundsteuern bundesweite Ranglisten an. Wirtschaft beklagt hohe Hebesätze an Rhein und Ruhr.
Essen.
Nordrhein-Westfalens Industrie- und Handelskammern (IHK) schlagen Alarm: Weil besonders die klammen Städte an Rhein und Ruhr zur Sanierung ihrer Haushalte kräftig an der Steuerschraube gedreht haben, öffnet sich die Schere zwischen günstigen und teuren Wirtschaftsstandorten im Land immer weiter. Das, sagen die Kammern, gefährde die Standortattraktivität vieler Kommunen in NRW.
Hintergrund der Sorgen der Wirtschaftsverbände ist eine aktuelle Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Danach hat die Belastung der Wirtschaft durch Gewerbe- und Grundsteuern in diesem Jahr eine neue Rekordhöhe erreicht. Fast 140 der 676 deutschen Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern haben gegenüber 2014 die Hebesätze bei der Gewerbesteuer erhöht. In jeder sechsten Gemeinde stieg der Hebesatz um mindesten zehn Prozentpunkte. Bei der nicht nur für Hausbesitzer und Mieter, sondern auch für Unternehmen relevanten Grundsteuer B (für bebaute Flächen) hätten die Kommunen ebenfalls „ordentlich zugelangt“, wie DIHK-Präsident Eric Schweitzer kritisierte.
Dramatische Entwicklung in NRW
Besonders dramatisch ist die Entwicklung in NRW, wo speziell die finanzschwachen Ruhrgebietsstädte ihre Hebesätze teils erheblich erhöht haben. Mit Oberhausen (Hebesatz: 550 Prozent), Marl (530) und Hagen (520) stehen allein drei NRW-Städte an der Spitze der bundesweiten Gewerbesteuerliste, dicht gefolgt von Duisburg (510), Recklinghausen (510), Witten (500) und Bochum (495). Die niedrigsten Sätze erheben dagegen Gemeinden in der Nachbarschaft wirtschaftlich starker Großstädte: Unterhaching bei München (295 Prozent), Monheim bei Düsseldorf (285 Prozent) und Eschborn bei Frankfurt (280 Prozent). Vergleichsweise günstige Sätze bieten auch andere Kommunen im Dunstkreis von Düsseldorf wie Ratingen(400), Hilden (400) und Langenfeld (360).
Noch deutlicher fiel der Anstieg bei der Grundsteuer B aus. Laut DIHK stiegen die Hebesätze in NRW um durchschnittlich 44 Prozentpunkte und damit mehr als doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt. Die NRW-Hebesätze fallen dadurch doppelt so hoch aus wie in Schleswig-Holstein, dem Land mit dem niedrigsten Wert. In einigen Gemeinden stiegen die Hebesätze sogar um mehr als 300 Prozentpunkte. Und: Insgesamt 206 Kommunen erhöhten 2015 die Grundsteuer. Im Jahr zuvor waren es nur 60. Mittlerweile stehen fünf nordrhein-westfälische Kommunen bundesweit an der Spitze der Grundsteuerhebesätze: Duisburg (855 Prozent), Overath (850), Datteln (825), Haltern am See (825) und Selm (825 ).
Wichtige Einnahmequelle für Kommunen
Grund- und Gewerbesteuern gehören nicht nur zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Es sind auch die einzigen Steuern, über deren Sätze die Städte eigenständig entscheiden können. Das weckt zwangsläufig Begehrlichkeiten. Doch hohe Hebesätze bedeuten nicht automatisch höhere Einnahmen. So nahm die Stadt Essen (Hebesatz: 480) im letzten Jahr rund 320 Millionen Euro an Gewerbesteuern ein. Düsseldorf erzielte – trotz eines Hebesatzes von nur 440 Punkten – mit knapp 870 Millionen Euro mehr als zweieinhalb Mal so viel wie der etwa gleich große Nachbar aus dem Ruhrgebiet.
Welche Bedeutung die genannten Realsteuern der Städte für die Standortentscheidung eines Unternehmens haben kann, verdeutlichten die NRW-IHK’s anhand eines Beispiels: Eine mittelständische Kapitalgesellschaft mit 200 Mitarbeitern und einem Jahresgewinn von zwei Millionen Euro muss in Duisburg 157 500 Euro mehr an Gewerbesteuer zahlen als im knapp 60 Kilometer entfernten Monheim. Zusätzlich schlagen noch 25 000 Euro mehr an Grundsteuern zu Buche. Zöge das Unternehmen von NRW nach Baden-Württemberg, könnte es im Schnitt gut 30 400 Euro an Gewerbe- und Grundsteuer sparen.