Bei Nokia wiederholt sich die Geschichte: 2008 schloss der Handyriese sein Werk in Bochum. Nun wird das damals billigere Werk in Rumänien dicht gemacht. Nokia will nach Asien weiterziehen. Die IG Metal in NRW ist empört: Sie spricht von „Karawanen-Kapitalismus“.
Bochum/Düsseldorf.
Oliver Burkhard kann sich noch gut an den Tag erinnern, als Nokia das Aus für das Bochumer Handy-Werk verkündete. Es war der 15. Januar 2008. Viele Beschäftigte fuhren am Morgen zur Arbeit, ohne zu ahnen, dass sie bald keine mehr haben würden. Burkhard stand erst seit wenigen Wochen an der Spitze der IG Metall, als ihn alarmierende Anrufe von Betriebsräten erreichten. Was folgte, waren wütende Proteste und stille Solidarität.
Nun scheint sich bei Nokia eine Geschichte zu wiederholen. Diesmal spielt sie sich in der Nähe der rumänischen Stadt Cluj ab, an jenem Ort, der die billigere Alternative zu Bochum sein sollte. Erst vor drei Jahren hatte Nokia seine Produktion an den rumänischen Standort verlagert. Jetzt kommt auch für das Niedriglohn-Werk mit seinen 2200 Beschäftigten das Aus. Nokia will in das noch billigere Asien weiterziehen. Die Schließungspläne für Rumänien sind Bestandteil eines neuen Sparprogramms, mit dem der Mobilfunkkonzern weltweit 3500 Arbeitsplätze streichen will.
Nokia kämpft mit massiven Problemen. Der finnische Konzern hat den Umstieg auf die populären Smartphones verschlafen und verliert Marktanteile. Konkurrenten wie Apple, Samsung und HTC setzen dem einst unangefochtenen Marktführer schwer zu.
„Das ist ein echter Skandal“
Wenn Burkhard über die Nokia-Pläne spricht, kann er seine Emotionen kaum verbergen. „Das ist ein echter Skandal“, sagte der Chef der nordrhein-westfälischen IG Metall im Gespräch mit DerWesten. „Ich frage mich wirklich: Wie tief kann ein Konzern noch sinken? Mir tun die Menschen in Rumänien leid, denn sie machen das durch, was wir hier im Ruhrgebiet auch durchgemacht haben.“ Eine regelrechte „Jagd nach dem immer billigeren Standort“ sieht Burkhard in dem Verhalten der Nokia-Führung: „Das ist Karawanen-Kapitalismus.“ Die Politik müsse verhindern, dass abermals Subventionen abgegriffen werden, forderte er: „Es darf nicht sein, dass dem Unternehmen Steuergelder aus der Europäischen Union hinterhergeworfen werden.“ Die Ansiedlung von Nokia in Bochum wurde mit staatlichen Fördergeldern in Millionenhöhe unterstützt. Zum Teil zahlte der Konzern das Geld zurück.
„Viele von denen, die damals in Bochum ihren Job verloren haben, sind heute immer noch arbeitslos“, sagte Burkhard. 2300 Mitarbeiter zählte das Bochumer Werk – von ihnen waren Ende vergangenen Jahres rund 450 ohne Job. Immerhin: Zahlreiche ehemalige Nokia-Beschäftigte sind mittlerweile in Bochum für den Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) tätig.
Auch Navigationssparte mit 1300 Mitarbeitern und der Standort Bonn betroffen
Der jetzt angekündigte Stellenabbau trifft neben den Beschäftigten in Rumänien auch 1300 Mitarbeiter der erst vor vier Jahren mit Milliardenaufwand zugekauften Nokia-Navigationssparte. Geschlossen wird auch der Nokia-Standort in Bonn. Ein Sprecher des Konzerns betonte, unter dem Strich werde der Standort Deutschland vom Konzernumbau profitieren. An den Forschungs- und Entwicklungsstandorten in Berlin und Ulm würden voraussichtlich mehr neue Arbeitsplätze geschaffen als in Bonn verloren gingen.
„Wer die besten Handys der Welt herstellen will, sich aber immer den billigsten Standort sucht, wird auf Dauer keinen Erfolg haben“, mahnte Gewerkschaftschef Burkhard. Auch durch die aktuellen Schließungspläne drohe Nokia ein gewaltiger Image-Schaden. „Es lässt sich nachweisen, dass es nach 2008 einen sogenannten Bochum-Effekt in den Bilanzen von Nokia gegeben hat“, sagte Burkhard. „Wenn ich heute noch ein Nokia-Handy hätte, wäre für mich jetzt spätestens der Zeitpunkt, es wegzuschmeißen.“