Drei junge Kreative gründen in Mülheim ihre eigene Videospiele-Firma. Und wollen damit in einem Wachstumsmarkt Fuß fassen. Die Videospiel-Branche setzte allein in Deutschland rund zwei Milliarden Euro um.
Mülheim.
Eigentlich stellt man sich solche Büros anders vor: Gestapelte Pizzakartons, Batterien leerer Cola-Flaschen, zerknitterte Chipstüten, achtlos auf den Boden geworfen. Schönes Klischee. Mit der Wirklichkeit in der Mülheimer Games Factory Ruhr hat das nichts zu tun. Helle Büros statt Kellerchaos, moderne Möbel – und die Computer sponsert ein Elektronikhersteller. Ideale Bedingungen für Stefan Weinberg, Florian Ludwig und Andreas Bresser. Die drei Uni-Absolventen wagen den Sprung in die Selbstständigkeit. Sie entwickeln ein Computerspiel und gründen dafür ihre eigene Firma.
Wenn alles klappt, kommt „Leijuna“, ein Aufbau-Strategiespiel, noch dieses Jahr heraus. Dann sind die drei Gründer Teil einer schnell wachsenden Branche. Die deutsche Videospiel-Industrie beschäftigt über 10 000 Menschen. 275 Unternehmen zählte der Bundesverband Interaktive Unterhaltungsindustrie (BIU) jüngst. An 40 privaten und öffentlichen Einrichtungen werde die Entwicklung von Videospielen gelehrt, sagt der BIU.
Durch Zufall nach Mülheim
Die Gründer Ludwig und Bresser haben Informatik studiert, Weinberg Grafikdesign. Durch Zufall lernten sich die drei in einem Entwicklerforum im Internet kennen, leisteten wertvolle Vorarbeit für ihr Projekt. „Dass wir in Mülheim gelandet sind, war eigentlich Zufall“, sagt der 29-jährige Weinberg. Besser hätte der Zufall aber nicht spielen können. Im Gründerlabor der Game Development Initiative Ruhr (GDI) bekommen sie die Unterstützung, die Start-Ups benötigen, um am Markt Fuß zu fassen. Das nötige Startkapital kommt aus Fördertöpfen.
Auch Alexandra Gerb, Geschäftsführerin von „Catnip Games“, hat es vor Jahren nach Mülheim verschlagen. Ihre Firma gehört zu den wenigen deutschen Entwicklerstudios, die für Microsofts Spielekonsole Xbox 360 programmieren dürfen. „Mülheim war damals das Zentrum der deutschen Spieleentwickler. Wer etwas auf sich hielt, der musste einfach hier hin“, sagt Gerb. Weil hier „Blue Byte“ saß, die Entwickler, die mit der Siedler-Reihe Computerspiel-Geschichte geschrieben haben.
Vom kreativen Chaos der ersten Jahre sei mittlerweile wenig übrig. Die Branche habe sich professionalisiert. „Seiteneinsteiger und Autodidakten sind weniger geworden“, sagt auch Stefanie Waschk, die die jungen Gründer in Mülheim betreut. Mit einem Informatik-Studium allein sei es aber auch nicht getan, sagt Florian Ludwig. Die Begeisterung müsse einfach da sein: „Wer vor seinem Studium noch keine Zeile Code geschrieben hat, der wird es nie richtig lernen.“
Kampf ums Zwergenreich
Alexandra Gerb programmiert nicht, sie organisiert, die Arbeit einer Geschäftsführerin eben. Einen Publisher finden, der sich für eine neue Spieleidee erwärmen lässt und diese anbieten möchte, Geldgeber auftun, die die Entwicklung vorfinanzieren. „Catnip Games“ produziert keine Triple-A-Titel, wie große US-Spiele-Bestseller a la „Battlefield“ in der Branche genannt werden, sondern Games, die dann für umgerechnet zehn Euro online zu haben sind. Wie „Boulder Dash“, die Neuauflage eines Geschicklichkeitsspiels aus den 80er-Jahren.
Die Verkäufe blieben hinter den Erwartungen zurück – und das trotz traumhafter Bewertungen. Warum? „Weil wir nicht genug Werbung geschaltet hatten“, sagt Alexandra Gerb. Die sei eben auch bei Videospielen das A und O. Dem neuen Catnip-Titel „Donnerberg“ soll das nicht passieren. Der Kampf ums Zwergenreich startet vermutlich noch in diesem Jahr.
Von einer Veröffentlichung sind die Macher von „Leijuna“ noch weit entfernt. Gratis soll die Mischung aus Aufbaustrategie und Rollenspiel sein, die im Internet-Browser läuft. Vorteile im Spiel verschafft sich der, der ein paar Euro für Zusatzinhalte ausgibt. Ein Stückchen vom großen Kuchen würde den drei Einsteigern schon reichen. Fast zwei Milliarden Euro setzte die Branche im vergangenen Jahr allein in Deutschland um.