Maserati-Chef Wester sieht eine neue Lust am Luxus
Mit Harald Wester steht ein Deutscher an der Spitze der italienischen Nobelmarke Maserati im Fiat-Konzern. Die Verkaufszahlen sollen sich in kürzester Zeit versechsfachen. Wir sprachen mit Wester über die Lust am Luxus.
Essen.
Der 1958 im kleinen rheinland-pfälzischen Städtchen Linz am Rhein geborene Harald Wester ist der erfolgreichste deutsche Manager bei einem ausländischen Autobauer. Der Maschinenbauingenieur leitet seit 2008 als Vorstandsvorsitzender Maserati, seit 2010 auch Alfa Romeo und ist seit 2004 Entwicklungschef der Muttergesellschaft Fiat. Unter seiner Leitung soll die 2014 ein Jahrhundert alt werdende italienische Luxusmarke Maserati aus Modena noch rasanter wachsen als Porsche zwischen 1993 und 2009 unter der Leitung von Wendelin Wiedeking. Mit ihm sprach Gerd Heidecke.
Bevor Sie Maserati übernahmen waren sie Manager bei Ferrari, Audi, Magna Steyr, Volkswagen. Aber was war denn Ihr erstes Auto?
Harald Wester:
Mein erstes Auto war ein Käfer mit 34 PS, von der Mama geerbt und von mir optimiert mit größerem Vergaser. Aus Kabelkanälen, Harz und Schrott habe ich meine Stoßstangenbeschwerer selbst gebaut. Damit habe ich die Straßenlage dramatisch verbessert.
Dramatisch erscheint auch Ihr Plan, die Jahresproduktion bei Maserati bis 2015 auf 50.000 Stück mehr als zu verachtfachen. Wie soll diese in der Automobilgeschichte einmalige Expansion gelingen?
Wester:
Dank der vielfach verbesserten Neuauflage unseres Flaggschiffs, dem Quattroporte, hatten wir bereits Mitte Mai über 11.700 Vorbestellungen, gegenüber insgesamt 6200 Maserati-Verkäufen im gesamten vergangenen Jahr. Jetzt kommt das neue Einstiegsmodell Ghibli in den Handel und 2015 startet das erste Maserati-SUV Levante.
Haben die Sportwagenhersteller Porsche mit dem Cayenne zu lange das Feld bei den ertragreichen SUV überlassen?
Wester:
Wir hatten bereits 2003 die Studie Kubang für ein SUV von Maserati. Aber es gab keine Fabrik und nicht einmal ein passende Lackiererei für einen so großen Wagen. Jetzt haben wir im Fiat-Konzern mit Chrysler in den USA und deren Allrad-Marke Jeep ganz andere Möglichkeiten und eine dramatisch verbesserte industrielle Basis für ein SUV.
Riskiert die Luxusmarke mit wachsenden Stückzahlen ihre Exklusivität? Ferrari zum Beispiel hat angekündigt, nie mehr als 7000 Autos im Jahr zu bauen.
Wester:
Bei weltweit 67 Millionen Neuwagen in diesem Jahr besteht auch bei 50.000 Stück nicht die Gefahr, dass Sie jeden Tag drei Maserati vorbeifahren sehen. Wir neigen dazu, die Welt aus der Sicht Europas zu sehen. Die großen Märkte für diese Luxusautos sind Nordamerika und der pazifische Raum, speziell China. Wahrscheinlich wird China schon in diesem Jahr der wichtigste Absatzmarkt für Maserati.
Was muss ein Händler in China investieren, wenn er Maserati verkaufen will?
Wester:
Das ist ein ganz anderer Markt. Es gibt riesige Handelsketten, die verkaufen 70.000 Premiumautos im Jahr. Manche investieren 60 Millionen Dollar für drei Maserati-Vertretungen in China.
Luxus und Dieselmotor schließt sich beim neuen kleineren Maserati erstmals nicht mehr aus. Planen Sie weitere Modelle unterhalb des mindestens 70.000 Euro teuren Ghibli?
Wester:
Wenn Sie in Europa ein Modell in der Klasse von Audi A6/A7, Fünfer-BMW oder 6er Gran Coupe und Mercedes E- bzw. CLS-Klasse verkaufen wollen, brauchen sie einen Diesel. Hier liegt der Diesel-Anteil bei 70 Prozent. Das ist praktisch eine rein europäische Besonderheit, genauso wie die Beliebtheit der Kombiversionen. Momentan gibt es keine Pläne für ein Modell unterhalb des Ghibli, es gibt aber auch keine dogmatische Preisgrenze für die Marke.
In der Diskussion um zukünftige Verbrauchsgrenzen in der EU ab 2025 werden Werte für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte gefordert, die etwa drei Liter Benzin auf 100 Kilometer entsprechen. Wird es da auch für eine Kleinwagenmarke wie Fiat schwer, solche Ziele zu erfüllen?
Wester:
Es ist technisch möglich, aber nur noch mit horrendem Aufwand. Schon jetzt sind Autos im Kleinwagensegment nicht mehr profitabel.
Das gültige Verfahren zur Ermittlung des Normverbrauchs gerät immer stärker in die Kritik, weil die Hersteller alle Schlupflöcher ausnutzen und die Angaben immer praxisferner werden.
Wester:
Schlupflöcher würde ich das nicht nennen. Der Spielraum für die Hersteller ist bereits geringer geworden. Man muss tatsächlich extrem ökonomisch fahren, um den Normverbrauch zu ändern. Aber auf jeden Fall ist es immer schwierig, während des Spiels die Spielregeln zu ändern.
Der Fiat-Konzern hat Nachholbedarf bei der Hybridtechnik. Wann bieten Sie Fahrzeuge mit zusätzlichem Elektromotor an?
Wester:
Wir sind technologisch up to date. Da man mit alternativen Antrieben nur Verluste macht, bringen wir sie nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften in den Markt. Wir werden Hybridfahrzeuge verkaufen, wenn man mit ihnen Geld verdienen kann. In einem Maserati Quattroporte für 108 000 Euro können sie die Mehrkosten von einigen Tausend Euro unterbringen, in einem Fiat 500 schwerlich.
Sind Sie einer von über 30 Millionen Kinozuschauern der Erfolgskomödie „Ziemlich beste Freunde“, bei der ein durch Paris röhrender Maserati Quattroporte die automobile Hauptrolle spielt?
Wester:
Ja, natürlich! Um der Wahrheit genüge zu tun: Dieser Erfolg für unser Fahrzeug war keine Folge einer ausgeklügelten Marktstudie. Es schien uns einfach eine schöne Geschichte zu sein, und so haben wir für den Film einen einzigen Wagen für vier Wochen zur Verfügung gestellt.