Fernbusse sind populär – aber die Beanstandungsquote bei Kontrollen hat sich verdoppelt. Jetzt droht die Bundesregierung mit einem Gesetz.
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Fernbusse boomen. Bundesweit finden pro Woche 10.000 Fahrten statt. In diesem Jahr könnten 25 Millionen Fahrgäste befördert werden, jeder fünfte Bus-Passagier hat bisher die Bahn genutzt. Denn Busse sind unschlagbar billig: Für mal einen, neun oder neunzehn Euro quer durchs Land. Aber zwischen Anbietern herrscht ein gnadenloser Konkurrenzkampf.
Wie sicher ist diese Reise da noch? TÜV und Statistisches Bundesamt – vor allem aber die Busfirmen selbst haben bisher beteuert: völlig sicher. Kontrollen der Polizei und des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) auf den Fernstrecken zeichnen jetzt ein ganz anderes Bild. Die Beanstandungsquote steigt rasant.
Lenkzeiten – Jede vierte Kontrolle deckt Verstoß auf
Nicht die Technik der Fahrzeuge ist der Schwachpunkt: Die meisten Busse sind modern. Aber viele Fahrer sitzen müde hinter dem Steuer, weil sie die Arbeitszeit-Vorschriften nicht einhalten (können). 600 Kilometer am Stück oder 15 bis 16 Stunden Fahrzeit seien keine Ausnahme, klagen Fahrer immer wieder, wenn ihre Chefs nicht in der Nähe sind.
Nach Angaben des BAG waren bei 278 Kontrollen im Jahr 2014 noch 14,7 Prozent der Kontrollierten beanstandet worden. Im ersten Halbjahr letzten Jahres – das sind die neuesten Erhebungen – hat sich die Zahl der Beanstandungen auf 26,9 Prozent verdoppelt. Meist stellten die Kontrolleure des BAG Verstöße gegen die Ruhezeiten-Vorgaben fest. So wurden zwischen Januar und Juli letzten Jahres 245 Fernbusse kontrolliert. In 66 Fällen gab es Beanstandungen. 46 mal hatte das Fahrpersonal die Ruhezeiten nicht eingehalten.
Damit bestätigen sie ähnliche Feststellungen der Länderpolizeien. In NRW mussten 2015 bei der „Operation Bus“ bei 93 überprüften Fahrzeugen fünf sofort die Fahrt abbrechen, 35 Verstöße gegen die Arbeits- und Sozialvorschriften wurden registriert. Das gleiche Bild in Hessen und Baden-Württemberg, wo es auch sofortige Stillegungen gab.
Verkehrsminister Dobrindt will notfalls gesetzlich eingreifen
Die Zahlen stören die Bundesregierung auf. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen kündigt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) an, wegen der durch das Bundesamt festgestellten Verstöße die Branche unter Beobachtung zu nehmen und notfalls gesetzlich einzugreifen.
„Die Bundesregierung wird gemeinsam mit den Ländern prüfen, ob diese negative Entwicklung auch bei den durch Gewerbeaufsichtsämtern und Polizeien durchgeführten Kontrollen aufgetreten ist und wie dieser Entwicklung gegengesteuert werden kann“. Denn, so mahnt die Regierung: „Die Lenk- und Ruhezeiten stellen ein wichtiges Element der Verkehrssicherheit dar. Notwendig sind effektive Kontrollen und konsequente Ahndung von Verstößen“.
Hintergrund ist: 2017 will der Gesetzgeber das Personenbeförderungsgesetz überarbeiten. Gewerkschaften fordern, dass Konzessionen für Fernbusse dann nur noch an Unternehmen vergeben werden, die feste Lohn- und Sozialstandards einhalten.
Höchstens neun Stunden hinterm Steuer
Und so sind die Vorschriften heute: Grundsätzlich darf ein Busfahrer neun Stunden Fahrzeit nicht überschreiten. Nur an zwei Tagen pro Woche darf er auch zehn Stunden fahren. Pro Woche gibt es eine Höchstlenkzeit von 56 Stunden. Erreicht der Fahrer die, darf er in der darauf folgenden Woche nur 34 Stunden am Steuer unterwegs sein. Auch sind Pausen beim Fahren vorgeschrieben – alle 4,5 Stunden 45 Minuten. Deshalb sind bei Langstrecken oft zwei Fahrer an Bord. Wichtig: Der auf dem „Beifahrersitz“ darf aber während dieser Beifahrer-Zeit nicht schlafen.
Verdi bezeichnet Zahlen als „alarmierend“
Fahrgast-Organisationen wie mobifair und Gewerkschaften wie Verdi bezweifeln, dass nur einzelne „schwarze Schafe“ gegen diese Regeln verstoßen. Sie sind wegen der neuesten Zahlen des Bundesamtes für Güterverkehr alarmiert. Verdi sieht ein „hohes Risiko“ für Fahrgäste. Wenn schon jetzt schon „jede vierte Fahrt gefährlich“ sei, dann sei„die Zahl der Kontrollen viel zu gering“, sagt Helmut Diener von mobifair. „Man kann sich ausrechnen, wie hoch die Zahl der Beanstandungen wäre, wenn mehr kontrolliert würde“.