Veröffentlicht inWirtschaft

Kehrt die Kohle zurück?

Kehrt die Kohle zurück?

From Moonscape To Lake District_--543x199.jpg
Foto: Getty Images
Mit der Katastrophe in Japan wächst weltweit die Skepsis gegenüber der Atomkraft. Deshalb stellt sich der Frage, welche Alternative profitiert.

Essen. 

So schnell ändern sich Meinungen: Am Montag verkündete China, dass das Land am umfangreichen Ausbau der Kernenergie festhalten werde, am Mittwoch die 180-Grad-Wende: Der Volkskongress stoppte den Plan, bis 2016 die Errichtung von 40 Meilern einzuleiten. Zahlreiche andere Länder wie Russland oder Indien prüfen ihre bisherigen Atompläne. Zeichnet sich eine Energiewende ab, die eine Renaissance der Kohle bringt?

Die Internationale Energieagentur (IAE) geht in ihrem „Weltenergie-Ausblick 2010“ davon aus, dass bis 2035 Kohle, Öl und Gas den größten Anteil an der Stromversorgung haben – obwohl deren Anteil von 68 auf 55 Prozent sinken werde. Findet vor dem Hintergrund der Katastrophe in Japan eine Abkehr vom Atomstrom statt, könnte der Anteil der fossilen Brennstoffe weniger sinken. Energie-Analyst Tobias Federico hält deshalb die Einhaltung der Klimaziele bei einer Abkehr vor der Atomkraft für unmöglich.

Direkt nach der Verkündung des deutschen Moratoriums stieg der Weltmarktpreis für Kohle um zehn Prozent. Auch der Preis für CO2-Zertifikate stieg um fünf Prozent. Allerdings sei der Anstieg auch darauf zurückzuführen, dass dieses Moratorium völlig unerwartet für die Händler gekommen sei, so Federico. Inzwischen habe sich der Markt beruhigt. Werden neue Kohlekraftwerke gebaut und laufen alte länger, dürften die Preise tendenziell steigen.

Rechnet man die Leistung der sieben vom Moratorium betroffenen Meiler auf die Strommenge um, so könnten sie, wären sie das komplette Jahr in Betrieb, rund 60 Terawattstunden liefern. Das entspräche dem halben Jahresverbrauch aller deutschen rund 40 Millionen Haushalte. Doch die betroffenen AKW waren nicht alle in Betrieb, sodass die zu ersetzende Strommenge einem Viertel ihres Jahresverbrauchs entspricht.

Bei dieser Frage herrschen unterschiedliche Ansichten, international offenbart dies das Beispiel China: Noch 2006 ging dort im Durchschnitt alle zwei Tage ein Kohlekraftwerk ans Netz. Auf der anderen Seite ist China mittlerweile Weltmarktführer bei der Produktion von Solarmodulen.

Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, ist der Meinung, dass der Ausfall der Atomkraft teilweise durch neue Kohlekraftwerke abgefedert werden muss.

Bernd Wenzel, Mitverfasser der „Leitstudie 2010“ des Bundesumweltministeriums zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, ist anderer Ansicht: „Die fossilen Kraftwerke, die im Bau sind, reichen aus, um den Wegfall der Kapazitäten aus der Atomkraft zu ersetzen.“ Er glaubt, dass statt der Kohle Erneuerbare Energien einen Schub erhalten.

Auch die regionalen Energieversorger reagieren auf die vorübergehende Stilllegung der älteren Atomkraftwerke. Die Stadtwerke Duisburg erwägen, ein Kohlekraftwerk zwei Jahre länger als geplant zu betreiben, sagte Hermann Janning, der Chef der Stadtwerke Duisburg. Bisher sollte Ende 2012 Schluss sein. Außerdem will Janning Pläne zum Bau eines neuen Gaskraftwerks im Duisburger Stadtteil Wanheim vorantreiben. Das Projekt lag wegen der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke auf Eis. „Kohle und Gas rücken wieder stärker in den Vordergrund“, sagte Janning. Ähnlich sieht man es beim Aachener Energieversorger Trianel. „Bei einem klaren Ausstiegsbeschluss für die Kernkraft wird der Neubau von Gas- und Kohlekraftwerken deutlich an Bedeutung gewinnen“, so Trianel-Sprecher Elmar Thyen.

Ein schnellerer Abschied von der Atomkraft könnte sich auch auf die Diskussionen über das umstrittene Eon-Kraftwerksprojekt in Datteln auswirken. „Durch die Abschaltung von Kernreaktoren werden kurzfristig die fossilen Kraftwerke wichtiger. Die Stabilität der Stromnetze kann nicht allein durch Windkraft gewährleistet werden“, sagte Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. „Angesichts des Leids der Menschen in Japan ist es jetzt nicht die Zeit, über unsere Kraftwerksprojekte in Deutschland zu diskutieren. Richtig ist aber auch, dass der Neubau von Kohlekraftwerken in einem veränderten Gesamtkontext betrachtet werden muss.“

Das trifft vor allem die Stahlindustrie, die Aluminiumbranche und Teile der Chemie. Hier beträgt der Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung bis zu 30 Prozent. Die Essener Alu-Hütte Trimet, die ihren Strom selbst an der Börse kauft, schlägt Alarm. Sie rechnet mit Mehrbelastungen in zweistelliger Millionen-Höhe, sollte der Strompreis auf dem aktuellen Stand verharre.