Deutsche Justiz geht schonungslos gegen den Essener Traditionskonzern Ferrosstaal vor. Das Unternehmen soll 277 Millionen Euro Strafe zahlen. Aus Sicht von Ferrostaal gehe es also „nicht um Korruption, sondern allenfalls um Untreue“.
München/Essen.
Es könnten gute Zeiten sein für den Traditionskonzern Ferrostaal. Weltweit wird neu über die Energieversorgung nachgedacht – und die Planung von Gas- und Solarkraftwerken gehört eigentlich zu den zentralen Geschäftsfeldern des Essener Anlagenbauers. Doch die Arbeit der etwa 4400 Ferrostaal-Mitarbeiter wird schon seit Monaten von den Folgen einer Korruptionsaffäre überschattet. Auch unter Konzernchef Jan Secher kommt das Unternehmen nicht zur Ruhe.
Ein Ende der Unsicherheit ist nicht absehbar. Wie die Zukunft von Ferrostaal aussieht, wird nun womöglich vor Gericht entschieden. Denn angesichts der Schmiergeldaffäre steht eine Forderung der Staatsanwaltschaft im Raum, die weit höher ausfällt als bisher bekannt. War bislang von 196 Millionen Euro die Rede, wollen die Ermittler nun 277 Millionen Euro kassieren. Dabei soll es sich um die Gewinne handeln, die Ferrostaal mit illegalen Mitteln erzielt hat. „Das ist die Dimension“, bestätigt ein Insider.
Bestechung ausländischer Amtsträger
Selten zuvor ist die deutsche Justiz im Zuge einer Korruptionsaffäre ähnlich schonungslos gegen einen Konzern vorgegangen. Zum Vergleich: Der Industriegigant Siemens sollte nach seinem spektakulären Schmiergeldskandal 600 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen. Die Ermittlungen gegen den Essener Anlagenbauer führt die Staatsanwaltschaft München, da Ferrostaal zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Schmiergeldpraktiken noch eine Tochterfirma des dortigen MAN-Konzerns war. Mittlerweile ist die International Petroleum Investment Company (IPIC) aus Abu Dhabi Mehrheitseigentümer von Ferrostaal.
Bereits im März hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei hochrangige Ferrostaal-Manager erhoben. Ihnen wird gemeinschaftliche Bestechung ausländischer Amtsträger vorgeworfen. Insgesamt sollen über 62 Millionen Euro gezahlt worden sein.
Millionenforderung der Staatsanwaltschaft sei „völlig unangemessen“
Im Zentrum der Anschuldigung steht die Lieferung von U-Booten nach Griechenland und Portugal. Ein Konsortium aus Ferrostaal und der Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) hatte sich zunächst zwischen 2000 und 2002 erfolgreich um die Vergabe zweier Aufträge nach Griechenland bemüht. Um den Zuschlag zu erhalten, sollen die beiden Manager verschiedene Mittelsmänner eingeschaltet haben, die Kontakte zu Entscheidungsträgern in Griechenland hatten. Auch der frühere griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos soll bestochen worden sein. Der Politiker bestreitet die Vorwürfe.
2003 und 2004 bemühte sich das Konsortium laut Anklage zudem erfolgreich um die Lieferung von U-Booten nach Portugal. Erneut seien Schmiergelder geflossen.
Bei Ferrostaal wird die Millionenforderung der Staatsanwaltschaft als „völlig unangemessen“ eingeschätzt. „Es gibt keine strafrechtlich nachweisbare Bestechung“, erklärte eine Unternehmenssprecherin. „Bislang konnten keine griechischen Amtsträger ermittelt werden, an die Zahlungen geflossen sind.“ Aus Sicht von Ferrostaal gehe es also „nicht um Korruption, sondern allenfalls um Untreue“.