Jens Weidmann (43) steht am Montag an der Spitze der Bundesbank. Er muss in Europa die Inflation bekämpfen. Die deutschen Währungshüter haben es aber nicht mehr so leicht wie früher. Sie hat einen Teil ihrer Macht an die Europäische Zentralbank (EZB) abgegeben.
Berlin.
Jahrzehntelang war die Rolle der Bundesbank klar: Sie schützte die harte D-Mark. Aber schon vor zwölf Jahren übergaben die deutschen Währungshüter ihre geld- und währungspolitische Macht an die Europäische Zentralbank (EZB). Vor neun Jahren wurde die D-Mark endgültig ausrangiert. Welche Rolle spielt die Bank also heute überhaupt noch, wenn der neue Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als Nachfolger von Axel Weber offiziell sein Büro in der Frankfurter Zentrale bezieht?
Im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte wurde die Bundesbank so stark, dass sie ihren Nachbarn die Bedingungen von Sparsamkeit und hohen Zinsen diktierte. David Marsh, ehemaliger Korrespondent der Financial Times, schrieb: „Die Bundesbank herrschte einst über ein größeres Territorium in Europa als jedes Deutsche Reich der Geschichte.“
Nach wie vor ist die Bundesbank ein Machtfaktor, auch wenn sich ihr Einfluss verringert hat. Die Bundesbank versorgt uns mit Geld. Sie gibt den Druck von Geldscheinen in Auftrag, schickt das Bargeld mit Lkw zu den Geldautomaten und zieht es auch wieder ein – nicht die EZB.
Die Bundesbank versorgt Deutschland mit Geld
Auch der Staat könnte ohne die Bundesbank nicht existieren. Montags und mittwochs versteigert sie regelmäßig deutsche Staatspapiere an Geschäftsinstitute wie die Deutsche Bank. Die Bundesbank bekommt das Geld, das sie dann an die Regierung überweist. Ohne die Hilfe der Bundesbank würde schon lange kein staatlicher Lehrer mehr bezahlt und kein Schlagloch in den Straßen geflickt.
Außerdem bildet die Bundesbank einen Teil des europäischen Währungssystems. Im höchsten Entscheidungsgremium der EZB sitzen Chef-Ökonom Jürgen Stark und ab Montag Bundesbank-Präsident Weidmann. Die deutschen Vertreter haben im vergangenen Jahr wesentlich daran mitgewirkt, die Hilfspakete für verschuldete Euro-Staaten wie Griechenland und Irland zu schnüren. Diese Entscheidungen fielen allerdings nicht immer im Konsens. Während EZB-Präsident Jean-Claude Trichet durchsetzte, dass die Europäische Zentralbank auch Staatsanleihen notleidender Länder aufkaufte, kritisierte der ehemalige Bundesbank-Chef Weber das als zu großzügige Hilfeleistung.
Axel Weber war gegen den Ankauf von Staatsanleihen notleidender Länder
Kann sich die Bundesbank in Europa also heute noch durchsetzen? Andreas Worms, der die Abteilung für Geldpolitik leitet, sagt: „Die Bundesbank hat ein starkes Gewicht im Rat der Europäischen Zentralbank.“ Das stimmt – einerseits. Und doch ist es ganz anders als früher. Worms und seine Kollegen definieren ihre harte Geldpolitik heute nicht mehr alleine, sondern müssen versuchen, sie in der EZB zu vermitteln. Früher hatten sie 100 Prozent Einfluss auf die Leitzinsen und die Inflationsbekämpfung in Deutschland. Andere Länder waren gezwungen, sich anzuschließen. Jetzt haben Worms und seine Volkswirte vielleicht 30 Prozent Einfluss auf die Entscheidungen im ganzen Euro-Raum. Welche Rolle ist wichtiger?
Die Bedeutung der Bundesbank in Europa sicher nicht gestärkt hat Axel Webers hastiger Abschied infolge des Anleihe-Streits. Nun wird vermutlich nicht er, sondern Mario Draghi, der Chef der italienischen Notenbank, neuer Präsident der EZB. Aber ist das ein Schaden? Nein, Draghi wird den Euro ebenso beschützen, wie Bundesbank-Chef Weber es getan hätte. Denn auch der Italiener lehnt es ab, verschuldete Staaten über Gebühr zu unterstützen und damit den Wert der gesamten Währung aufs Spiel zu setzen. In jedem EZB-Präsidenten steckt ein guter Teil Bundesbank. Einfach, weil Deutschland die stärkste Macht im Euro-Raum ist und bleibt.