Veröffentlicht inWirtschaft

Heinz-Horst Deichmann ist schon mit Ledergeruch aufgewachsen

Heinz-Horst Deichmann ist schon mit Ledergeruch aufgewachsen

5733317825424453.jpg
Deichmann Junior und Senior Foto: Felix Heyder
Der Erfolg von Europas größtem Schuhhändler Deichmann hat viel mit dem Ruhrgebiet zu tun. „Mit großen Sprüchen kommt man hier nicht weit“, sagt der Konzernchef Heinrich Deichmann im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe. Das Unternehmen soll in Familienhand bleiben.

Essen. 

Wer mit Heinrich Deichmann über sein Unternehmen spricht, erfährt viel über das Ruhrgebiet. Und wer mit Deichmann über das Ruhrgebiet redet, versteht auch Europas größten Schuhhändler besser. „Im Ruhrgebiet kommt man mit großen Sprüchen nicht weit“, sagt der 49-Jährige, der in dritter Generation das Unternehmen leitet. „Hier leben Menschen, die hart arbeiten, direkt zur Sache kommen und schnörkellos ein Ziel erreichen wollen. Das prägt auch unsere Firma und ist Basis für unseren internationalen Erfolg.“ In diesem Sinne, sagt Deichmann, sei das Ruhrgebiet „ein Vorbild für andere Wirtschaftsräume auf der Welt“.

Schuhe verkaufen die Deichmanns in Portugal und Polen, Schweden und Spanien, in Tschechien und in der Türkei. Doch die Entscheidungen zur Zukunft des Unternehmens fallen immer noch dort, wo alles begann: in Essen-Borbeck. Heinrich und sein Vater Heinz-Horst Deichmann arbeiten nach wie vor Tür an Tür. Von der Deichmann-Zentrale bis zu jenem Ort, wo der Großvater des heutigen Firmenchefs vor fast 100 Jahren seinen kleinen Schuhmacher-Laden eröffnete, sind es nur einige hundert Meter.

3175 Filialen in 21 Ländern

Es ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die im Ruhrgebiet ihren Anfang nahm. Allein im vergangenen Jahr verkaufte Deichmann weltweit 156 Millionen Paar Schuhe. Mittlerweile ist der Revierkonzern mit 3175 Filialen in 21 europäischen Ländern und in den USA vertreten. Weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 32 000 Mitarbeiter, in NRW haben rund 3400 Menschen einen Job bei Deichmann. 247 Filialen des Schuhhändlers befinden sich in NRW, 93 davon sind im Ruhrgebiet.

„Es ist sicherlich kein Zufall, dass der Exportschlager bezahlbare Schuhe aus dem Ruhrgebiet kommt“, sagt Heinrich Deichmann. Viele Kunden seines Großvaters seien Bergmannsfamilien gewesen, die aufs Geld achten mussten. „Schon als kleiner Junge habe ich oft in der Werkstatt meines Vaters gesessen und auf Leder rumgehämmert“, erinnert sich Heinz-Horst Deichmann, der heute 85 Jahre alt ist. „Ich bin mit dem Ledergeruch aufgewachsen. Deshalb liegen mir Schuhe heute noch so am Herzen.“

Von Grundsätzen geprägt

Heinz-Horst Deichmann hat das Unternehmen groß gemacht, sein Sohn Heinrich führt den Expansionskurs fort. „Unsere Expansion im Ausland trägt auch dazu bei, dass der Standort Ruhrgebiet gestärkt wird“, sagt Firmenchef Heinrich Deichmann. „Wir ruhen uns nicht auf unseren Lorbeeren aus, sondern entwickeln uns ständig weiter und entwickeln neue Kollektionen oder Marken.“

h

Die Firma Deichmann ist von Grundsätzen geprägt – der wichtigste lautet: „Das Unternehmen muss den Menschen dienen.“ Den größten Teil der Gewinne stecken die Deichmanns wieder in den Betrieb. So konnte das Unternehmen wachsen. Deichmann ist unabhängig von den Banken, gehört zu 100 Prozent der Gründerfamilie.

„Wir leben nicht in übermäßigem Luxus“

Der Erfolg wird nicht zur Schau gestellt. „Wir haben alles, was wir brauchen, aber wir leben nicht im übermäßigen Luxus“, hat Heinz-Horst Deichmann einmal gesagt. „Ich fahre ein bequemes Auto, wilde Partys auf Yachten oder in noblen Villen im Ausland feiere ich nicht.“ Auch das dezent eingerichtete Büro von Heinrich Deichmann strahlt Bescheidenheit aus. An der Wand über der Sitzecke hängt ein Gemälde von Karl Schmidt-Rottluff. Es stammt aus den 50er-Jahren. Kenner wissen, dass es nicht annähernd so teuer ist wie seine Bilder aus den 20er-Jahren.

Die Familie Deichmann fühlt sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet. Die Unternehmer sind gläubige Christen und Mitglieder einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde. Gelegentlich predigt Heinrich Deichmann in Kirchen im Ruhrgebiet, und er steckt viel Geld in soziale Projekte. In Duisburg zum Beispiel unterstützt Deichmann Pater Tobias, der sich in seiner Abtei um Obdachlose und Bedürftige kümmert. „Dort, wo Menschen in größter Not sind, möchten wir Verantwortung übernehmen“, sagt Deichmann.

Viele soziale Projekte

Im Dortmunder Norden hat er eine ehemalige Hoesch-Kantine angemietet und renovieren lassen, damit dort Jugendliche eine Anlaufstelle haben. „Mütter im Teenager-Alter bekommen Rat, und es gibt Hausaufgabenhilfe, das kommt insbesondere Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln zugute.“

In wenigen Monaten wird das Unternehmen 100 Jahre alt. „Dass die Firma Deichmann irgendwann kein Familienunternehmen mehr ist? Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Heinz-Horst Deichmann. Sein Sohn Heinrich will in den kommenden Jahren die Basis dafür schaffen, dass irgendwann die vierte Generation der Familie das Geschäft führt. „Wir werden weiter kontinuierlich und solide wachsen“, sagt er. „Das Unternehmen wird noch internationaler werden als bisher, und wir setzen parallel auch auf den Ausbau des Online-Handels.“ Das Deichmann-Prinzip ist nicht spektakulär, aber überaus erfolgreich.