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Der Direktor des Centrums für Europäische Politik, Lüder Gerken, befürchtet, dass Griechenland seine Schuldenkrise nicht überwinden kann und auf Dauer EU-Hilfe braucht.
Trotz aller Sparanstrengungen Griechenlands hält sich unter Europa-Experten die Sorge, dass das Land dauerhaft auf Finanzhilfen durch die Europäische Union angewiesen sein wird. „Ich habe meine Zweifel, dass es gelingen wird, Griechenland zu stabilisieren“, sagte der Chef des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP), Lüder Gerken, im NRZ-Gespräch. „Ich halte es vielmehr für sehr wahrscheinlich, dass Griechenland zu einem Dauersubventionsfall wird.“
Gerken steht damit in einer Linie zu Josef Ackermann. Der Deutsche-Bank-Chef hatte sich skeptisch gezeigt, dass Griechenland seine Schulden wird bezahlen können. „Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln“, hatte Ackermann im Mai erklärt und damit die Debatte um Finanzhilfen befeuert.
Statt in aller Eile einen 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm aufzuspannen, „hätte man Griechenland dazu veranlassen sollen, aus der Währungsunion auszuscheiden“, ist Gerken überzeugt. Das CEP hatte jüngst mit einer Studie für Aufregung gesorgt, wonach der Rettungsschirm gegen europäisches und deutsches Recht verstößt. Die EU hätte Griechenland aber beim Schuldendienst helfen dürfen, wenn es nicht mehr Mitglied in der Eurozone wäre. „Das wäre die richtige Methode gewesen. Griechenland hätte sich sanieren und anschließend nach fünf oder zehn Jahren wieder beitreten können“, sagte der Institutschef. „Das wäre deutlich billiger als das jetzige Modell. Und es hätte den Vorteil gehabt, dass die Euro-Zone klar kommuniziert hätte: Wir halten die Stabilität der Währung hoch und halten uns an die Verträge. Das ist jetzt kaputt.“
Die Stützung Griechenlands sei ein Signal mit Folgewirkungen innerhalb der Euro-Zone, machte Gerken deutlich: „Ich glaube nicht, dass wir dauerhafte Sparanstrengungen der südeuropäischen Staaten erleben werden. Die schwächeren Eurostaaten werden sich sagen: Wenn sich Reformen innenpolitisch nicht durchsetzen lassen, dann können wir uns doch letztlich auf diesen Rettungsschirm verlassen. Und das führt mittelbar und langfristig zu einer deutlichen Schwächung der Währung.“
„Jetzt ist der Rettungsschirm in der Welt“, sagte der Chef des Freiburger Institutes. „Selbst wenn man den Rettungsschirm nach drei Jahren auslaufen lassen sollte, kann mir niemand erzählen, dass er im Fall einer neuen Krise nicht wieder reaktiviert würde. Das heißt, der Sündenfall ist begangen.“
Gerken wirft der europäischen Politik vor, aufgrund von „nationalstaatlichen Egoismen” die großen Probleme nicht lösen zu können und sich stattdessen in einer „Klein-Klein-Regulierung“ auf Nebenschauplätzen zu verzetteln. Mit Folgen für die Akzeptanz bei den Menschen: „Ich sehe mit Sorge die Tendenz, dass ein Großteil der Bevölkerung nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten zum Euroskeptizismus neigt.“