Der Prozess zum Schienenkartell hat in Bochum mit einem tränenreichen Geständnis eines ehemaligen Managers begonnen. Der Konzern Thyssen-Krupp tritt als Nebenkläger auf.
Bochum/Essen.
Auf einmal kamen dem einstigen Stahlmanager die Tränen: Im Strafprozess um das sogenannte Schienenkartell ist einer der Angeklagten kurzzeitig von seinen Emotionen übermannt worden. Der 57-Jährige, einst Vorstandsmitglied des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine, musste sein Geständnis vor dem Bochumer Landgericht mehrfach unterbrechen. Dann stellte er sich vor seine mitangeklagten Ex-Mitarbeiter: „Ohne meine Duldung der Kartellstrukturen stünden sie jetzt nicht vor Gericht.“
Die Angeklagten haben sich immer weiter nach oben gearbeitet – bis in die Führungsetagen von Voestalpine und Thyssen-Krupp. Ihr Spezialgebiet: das Schienengeschäft. Was lange im Verborgenen blieb: Nach Ausschreibungen der Deutschen Bahn wurden die Preise abgesprochen. Wer den Zuschlag erhalten sollte, stand von vorneherein fest. Persönlich bereichert haben sich die Ex-Manager wohl nicht. Staatsanwalt Ekkehart Carl sagte: „Die Angeklagten haben das Kartell nicht erfunden. Es war ein lange bestehendes System, in das sie hineingewachsen sind.“
Auch die Bahn forderte Millionen zurück
Beim Prozessauftakt zum Schienenkartell war auch Thyssen-Krupp mit von der Partie: Der Essener Stahl- und Technologiekonzern tritt als Nebenkläger im Bochumer Landgericht auf. Nach eigenen Angaben ist dem Unternehmen durch das Schienenkartell ein Schaden von mehr als 300 Millionen Euro entstanden. Allein Bußgelder schlugen mit 191 Millionen Euro zu Buche. Auch die Bahn forderte Millionen zurück.
Unter den 14 Angeklagten, denen illegale Absprachen insbesondere zum Schaden der Deutschen Bahn vorgeworfen werden, befinden sich fünf ehemalige Manager von Thyssen-Krupp. Es sei gut, dass jetzt „die individuelle strafrechtliche Verantwortung“ der Verantwortlichen des Schienenkartells geprüft werde, erklärte das Unternehmen zum Prozessauftakt. In Zivilverfahren geht der Konzern juristisch gegen frühere Manager aus den eigenen Reihen vor – bislang allerdings weitgehend erfolglos. Thyssen-Krupp hofft auf Schadenersatz in Millionenhöhe.
„Hierarchisch geprägter Konzern“
Das Bochumer Landgericht hat den Strafprozess aufgeteilt: Zunächst saßen nun sechs Manager von Voestalpine und einer von Thyssen-Krupp auf der Anklagebank. Sie gaben zu, an wettbewerbswidrigen Absprachen mitgewirkt zu haben. Weitere Angeklagte, darunter der ehemalige Thyssen-Krupp-Bereichsvorstand Uwe Sehlbach, sollen voraussichtlich erst im Herbst vor Gericht stehen. Sehlbach wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück – unter anderem mit Hinweis auf eine „hierarchisch geprägte Konzernorganisation“.