Veröffentlicht inWirtschaft

Flussschiffer fahren nur mit halber Kraft voraus

Flussschiffer fahren nur mit halber Kraft voraus

Binneschiffer Guido Hoppen_1--543x199.jpg
Foto: WAZ FotoPool

Duisburg. 

Binnenfrachter transportieren Güter über Wasserstraßen durch ganz Deutschland. Doch den selbstständigen Flussschiffern brechen die Aufträge weg. Die Preise sind teilweise um 50 Prozent gefallen.

ls die Sonne aufgeht, ist Guido Hoppe längst auf den Beinen. Wer als Binnenschiffer wirtschaftlich überleben will, muss früh aufstehen. Denn der Transport über Flüsse und Kanäle läuft schlecht, die Frachter fahren derzeit oft leer: „Wenn die Wirtschaft wenig produziert, fahren wir weniger“, sagt Hoppe, ein Binnenschiffer in vierter Generation. Noch hält er sich über Wasser, anderen steht es schon bis zum Hals.

Im Morgengrauen prüfen Hoppe und sein Matrose ein letztes Mal die Ladung. Dann lösen sie die Leinen und legen in Gelsenkirchen ab. Die „Monte Wymper“ gleitet träge durch den Rhein-Herne-Kanal. Im Bauch des 80 Meter langen Frachtschiffs warten 1000 Tonnen Samen auf eine Rapsmühle in Neuss. Wollte man diese Menge zu Land bewegen, wären 50 Lkw nötig.

Alle fahren auf eigene Rechnung

Dem 41-jährigen Hoppe reicht dafür sein Schiff. Selbstständige Schiffsbesitzer, die auf ihren Frachter selbst steuern, nennt man auch „Partikuliere“, was sich vom lateinischen „pars“ (Teil) ableitet. Die Partikuliere sind kleine Unternehmer. Kleine Teile, die zusammen das Rückgrat der großen Branche Binnenschifffahrt bilden. Sie alle fahren auf eigene Rechnung. Viele arbeiten unabhängig, manche nur für eine Reederei, andere in großen Genossenschaften. In Deutschland gibt es insgesamt 1080 Partikulierunternehmen, knapp ein Drittel befördert Fahrgäste auf Fähren oder Ausflugsschiffen. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen (721) setzt jedoch auf Tank- oder Güterschiffe, 963 ihrer Frachter fahren unter deutscher Flagge.

Die Schiffe werden im Ha­fen beladen, steuern über Flüsse und Kanäle den Zielort an, „löschen“ dort ihre Ladung und legen wieder ab. Es ist ein traditionsreiches Gewerbe, das mehr als zehn Prozent des Güterverkehrs in Deutschland ausmacht. Ob Steine, Stahl, Öl, Futter- oder Nahrungsmittel – auf deutschen Wasserstraßen beförderten Binnenfrachter 2009 fast 204 Millionen Tonnen Güter. Eine Zahl die groß klingt, aber innerhalb eines Jahres um 17 Prozent geschrumpft ist.

Banken halten noch still

Die Wirtschaftskrise hat die deutsche Binnenschifffahrt schwer getroffen. Der Umsatz lag 2008 noch bei 1,67 Milliarden Euro: „Jetzt dürfte er deutlich niedriger liegen“, sagt Andrea Beckschäfer von der Abteilung Binnenschifffahrt im Bundesverband der Selbstständigen (BDS). Einzelne Partikuliere sprechen von einem Umsatzrückgang von mehr als 20 Prozent.

„Wir haben aktuell eine historisch katastrophale Situation in der Binnenschifffahrt“, sagt Guido Hoppe, während er die Ruhr-Schleuse in Duisburg passiert. Er steht im Jahr 320 Tage am Steuer, fährt 30 bis 40 Frachten. Seit der Krise sind es zehn weniger. Neue Aufträge sucht Hoppe meist mühsam per Telefon. „Wir haben wenig Auswahl. Da gilt dann: Nimm es oder lass es.“

Denn die Frachten gingen massiv zurück: „Im Frühjahr 2009 war die Auftragslage wie abgeschnitten“, erinnert sich Hoppe. Der Konkurrenzkampf wurde härter. Für manche Frachten fielen die Preise um 50 Prozent: „Wir unterbieten uns gegenseitig“, sagt Hoppe. „Dadurch sind die Preise ins Bodenlose abgestürzt.“

Die Existenzangst fährt mit

Ein Beispiel: Anfang 2008 fuhr ein Partikulier die Tonne Weizen für acht Euro von Hamburg nach Hannover. Jetzt zahlt der Auftraggeber nur noch vier Euro. „Wer die Ladung braucht, geht mit dem Preis runter“, sagt Hans-Egon Schwarz, Vorstand der Deutschen Transport-Genossenschaft (DTG) aus Duisburg, die für 130 Partikuliere auch in trüben Zeiten nach Aufträgen fischt: „Viele Schiffer sind ei­gentlich pleite, fahren aber weiter und warten auf bessere Zeiten.“

Guido Hoppe geht es vergleichsweise gut. Sein Frachter ist abbezahlt. Der Neupreis liegt zwischen zwei und drei Millionen Euro. Andere Partikuliere, die vor der Krise investierten, sind jetzt mit den Raten im Rückstand: „Da geht jetzt das Heulen und Zähneklappern los“, sagt Hoppe. Die Zahl der Insolvenzen stieg jedoch nicht, die Banken halten noch still. Auch bei Guido Hoppe fährt die Existenzangst mit. „Wirtschaftlich ist es das erste Mal, dass ich nicht weiß, wo die Reise hingeht.“