Bocholt/München.
Der bisherige Mehrheitseigner des Bocholter Telefonbauers Gigaset will seine Anteile offenbar verkaufen. Bei Siemens, dem vorherigen Eigner, befürchtet man jedoch einen zweiten „Fall Benq“
Das Gezerre um den Bocholter Telefonbauer Gigaset hat möglicherweise bald ein Ende: Mehrheitseigner Arques kündigte jetzt an, die frühere Siemens-Tochter bis Jahresende verkaufen zu wollen. Der Konzern ist noch mit knapp 20% an Gigaset beteiligt und hatte Finanzinvestor Arques mit Klagen und einem Schiedsverfahren zugesetzt. Gegen Arques-Vorstand Michael Hütten erstattete Siemens Anzeige wegen des Verdachts der Untreue während seiner Zeit als Gigaset-Chef.
Die Attacken haben Arques mürbe gemacht: „Wir können das Verhalten von Siemens absolut nicht nachvollziehen“, sagte Konzernchef Hans Gisbert Ulmke der NRZ. Längst leide auch Gigaset darunter; Zulieferer, Kunden sowie die derzeit 1700 Mitarbeiter seien verunsichert.
Gigaset Marken-Wert mindestens 100 Millionen Euro
Ulmke bestätigte, dass Gespräche über einen Verkauf sämtlicher Gigaset-Anteile laufen. Siemens sei eingebunden. Namen von Interessenten nannte der Arques-Chef nicht. Dem Vernehmen nach soll es sich aber u.a. um Droege (auch ein Finanzinvestor) und um den Bochumer Nokia-Nachfolger Novero handeln. Ob es tatsächlich zum Verkauf kommt, bleibt abzuwarten. Arques-Chef Ulmke baut Hürden auf. Zum einen müsse das Schiedsverfahren mit Siemens dann vollständig abgehakt sein, zum anderen wolle man einen „ordentlichen Preis“. Allein den Wert der Marke Gigaset taxiert man bei Arques auf mindestens 100 Millionen Euro.
Während Ulmke beteuert, dass man seit der Gigaset-Übernahme im Oktober 2008 sauber und vertragstreu vorgegangen sei, sieht man das bei Siemens anders. Der Konzern, der immer noch auf die erste Rate des auf 45 Millionen Euro festgelegten Kaufpreises wartet, fühlt sich getäuscht und fürchtet einen zweiten „Fall Benq“.
Alle Alarmglocken schrillten bei Siemens, als Arques im vergangenen Jahr Gigaset -Chef Costa e Silva rauswarf, nachdem der darauf bestand, dass Arques – wie im Kaufvertrag vereinbart – 20 Millionen Euro für die Restrukturierung des Telefonbauers bereitstellt.
Auch diese 20 Millionen Euro hat Arques bis heute nicht bezahlt. Weil Gigaset selbst genug Geld hat, sagt Ulmke. Weil Arques das Geld gar nicht aufbringen kann, sagen Branchenexperten. Der Investor ist finanziell schwer angeschlagen.
„Dass solche Probleme mit Arques auftauchen würden, war nicht absehbar“, meinte Oliver Burkhard, NRW-Chef der IG Metall. Immerhin sei Gigaset mit Arques in die Gewinnzone zurückgekehrt: Das aber sei vor allem ein Erfolg der Belegschaft. In die Verkaufsverhandlungen ist die Gewerkschaft dank einer Tarifvertragsklausel direkt eingebunden: „Wir achten darauf, dass die Mitarbeiter nicht unter die Räder kommen“, versicherte Burkhard.