Der Rücktritt ihres Chefvolkswirtes bringt die europäische Notenbank in Bedrängnis – und das Bundesfinanzministerium bereitet sich auf eine Pleite Griechenlands vor.
Frankfurt/Essen.
Die Euro-Schuldenkrise, Streit über Hilfsmaßnahmen und der Rücktritt des Chefvolkswirtes Jürgen Stark: Knapp zwölf Jahre nach ihrer Gründung steckt die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer schwersten Krise.
Vordergründig ist Stark daran schuld. Sein am Freitag angekündigter Abgang kommt zur Unzeit und ist ein bedenkliches Signal. Nicht nur die Politiker scheinen sich gegenseitig im Blick auf die Krisenprogramme permanent Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Im EZB-Eurotower scheint es ähnlich zu sein.
Asmussen soll folgen
Auf den Nachfolger von Stark warten nun schwere Aufgaben. Nach Vorstellung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll der 44-jährige Staatssekretär im Finanzministerium Jörg Asmussen neuer EZB-Chefvolkswirt werden. Asmussen war bereits einer der wichtigsten Mitarbeiter des SPD-Finanzministers Peer Steinbrück gewesen. Aufgrund seiner Kompetenz übernahm ihn Schäuble.
Der gebürtige Flensburger war bei allen Rettungsaktionen in der Finanzkrise dabei und gilt als profilierter Krisenmanager. Von ihm ist eine flexible Haltung zum Ankauf von Staatsanleihen von Euro-Schuldnerländern durch die EZB zu erwarten. Welchen Kurs wird er einschlagen? „Das ist nicht der Moment, Einzelfragen zu beantworten“, sagte Asmussen am Samstag. Seine Ernennung zum Chefvolkswirt gilt als wahrscheinlich, der Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker signalisierte bereits Zustimmung.
Die Berufung Asmussens soll zudem die Märkte beruhigen: Am Freitag waren nach Starks Abgang sowohl der Eurokurs als auch die Aktienkurse nach unten gerauscht.
Dennoch stehen EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und sein Nachfolger Mario Draghi, der am 1. November den Chefposten bei der Notenbank übernimmt, nach Starks Rücktritt vor einer heiklen Aufgabe. Das Vertrauen in die EZB ist angeknackst, viele Ökonomen sehen sie als Spielball der Politik und ihre Unabhängigkeit beschädigt.
EZB hat Anleihen von Schuldnerstaaten im Wert von 130 Milliarden Euro
Dagegen hatte sich Stark stets gestemmt. Er sprach sich bereits 2010 gegen den Aufkauf von griechischen Staatsanleihen durch die EZB aus, um dem Land finanziell unter die Arme zu greifen. Und als dann vor einem Monat der EZB-Rat mehrheitlich beschloss, auch spanische und italienische Staatsanleihen zu kaufen, war für Stark Schluss.
Nun stehen Staatsanleihen von Euro-Schuldenländern im Wert von 130 Milliarden Euro in den EZB-Büchern. Niemand weiß wann und zu welchem Preis sie die Papiere wieder loswerden. Stark wollte wie Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber, der Anfang des Jahres aus dem EZB-Rat ausgeschieden war, dieses Risiko nicht mehr mittragen.
Der Weg der Notenbank ist umstritten. „Der EZB-Zentralbankrat überschreitet vielleicht nicht seine rechtlichen Befugnisse, wohl aber den Rahmen dessen, was bei der Errichtung des EZB-Systems gemeint war,“ sagt Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener ifo-Instituts. Solange der europäische Rettungsfonds EFSF von den Regierungen nicht autorisiert sei, den Kauf von Staatsanleihen zu übernehmen, werde sich die EZB aber kaum zurückhalten können.
Doch inwieweit Mittel aus dem EFSF Griechenland überhaupt noch helfen könnten, ist die nächste Frage. Denn laut „Spiegel“ zweifelt Finanzminister Schäuble daran, dass das Land noch vor der Staatspleite bewahrt werden kann. Sein Ministerium prüfe derzeit zwei Varianten einer möglichen Pleite Griechenlands: In der ersten bliebe das Land in der Währungsunion, in der anderen gäbe es den Euro als Zahlungsmittel auf und führte die Drachme wieder ein. Was das für griechische Staatsanleihen bedeuten könnte, ist schwer abzusehen.
CSU auf Konfrontation
Ein Sprecher des Ministeriums wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Er sagte lediglich, die Regierung arbeite an der Umsetzung der Vereinbarungen des Euro-Sondergipfels im Juli. Der Bundestag soll am 29. September über den deutschen Beitrag zum EFSF abstimmen. Demnach sollen die deutschen Garantien von 123 Milliarden auf 211 Milliarden Euro aufgestockt werden.
Kanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ausgeschlossen, weil dies einen Dominoeffekt auslösen könne. Doch die CSU geht auf Konfrontationskurs: „Euro-Staaten, die sich nicht an die gemeinsamen Regeln der Haushaltsdisziplin halten und dadurch sich und die Währungsunion in Schwierigkeiten bringen, müssen damit rechnen, die Währungsunion zu verlassen“, heißt es in einem Entwurf für den Leitantrag, den der CSU-Vorstand beschließen soll.