New York. Sandra Navidi ging vom Niederrhein nach New York. Das Gesicht der Finanzexpertin kennen viele deutsche Fernsehzuschauer. Beim Nachrichtensender NTV etwa ist sie eine gefragte Interview-Partnerin.
Sie ist blond – und intelligent; sie ist bildhübsch – und knallhart; sie liebt Kunst – und versteht viel von Ökonomie: Die deutsche Weltbürgerin Sandra Navidi stammt aus Mönchengladbach, studierte in Köln und New York. Sie machte ihre ersten beruflichen Schritte in Düsseldorf und arbeitet jetzt mit dem Kult-Ökonom Professor Nouriel Roubini, in dessen New Yorker Firma, in der Vorhersagen für die Entwicklung der Weltwirtschaft getroffen werden. Mittlerweile ist sie auch im deutschen Fernsehen eine gefragte Finanzexpertin. Die NRZ sprach mit der Niederrhein-erin am East River über Ökonomisches und auch Privates.
Gefahr einer neuen Spekulationsblase
„Wir sehen die Gefahr einer neuen, noch gigantischeren Spekulationsblase”, erklärt Sandra Navidi die Meinung von Roubini Global Economics. Hier arbeitet sie als „Director of Research Strategies”. In dieser führenden Position hat sie Kontakte zu den Größen der Finanzwirtschaft und den einflussreichsten Politikern. Weltweit. Schließlich ist New York die Welt-Finanzhauptstadt, und Sandra Navidi steckt mittendrin.
Der schwache Dollar und niedrige Zinsen trieben Investoren in risikoreiche Anlagen bei Rohstoffen und Aktien, meint Navidi. Sobald die US-Währung sich aber weiter stabilisiere und die Zinsen wieder steigen, dürften die Anleger diese Werte wieder in großen Mengen verkaufen. Dadurch würde diese „Mutter aller Spekulationsblasen” platzen. Und dies könne in ein neues Fiasko führen.
Das ist sehr ernst zu nehmen. Schließlich arbeitet Navidi für Roubini. Der Ökonomie-Professor (Stern School of Business, New York), dem von Neidern der Spitzname „Dr. Doom” (Dr. Untergang) verpasst wurde, warnte seit 2004 vor einem Platzen der Immobilienblase. Ebenfalls sagte er eine daraus resultierende harte Landung der US-Wirtschaft voraus. Als einer der Allerersten warnte er 2006 vor einem Absturz der Weltwirtschaft.
Aufkaufen toxischer Papiere
Er beschrieb die Finanzkrise und empfahl eine Verstaatlichung der betroffenen Banken. Es sei besser, sie durch den Staat gleich ganz zu kaufen und sie anschließend zu Geld zu machen, als sie durch das Aufkaufen toxischer, fauler Papiere und Kredite zu subventionieren.
Diese Voraussagen katapultierten Roubini an die Spitze der Ökonomen, die weltweit Gehör finden. Über 70 Zentralbanken, zahlreiche internationale Geschäftsbanken, multinationale Unternehmen, Institutionen und Regierungen nutzen seine Vorhersagen.
Sandra Navidi gehört zum engen Beraterkreis. Sie sieht die Weltwirtschaft noch nicht aus der Krise. Das Wachstum der Wirtschaft dürfte nach ihrer Auffassung zu circa 60% in einer U-Form verlaufen, mit einer etwa 20%-Chance zu einem W oder zirka 20% zu einem V.
Ökonomen bezeichnen den Verlauf der Wirtschaft in Buchstaben. Ein V beispielsweise steht für einen steilen Absturz und einen schnell erfolgenden Wiederaufstieg. Bei einem U gelingt der Aufstieg nicht so schnell, verläuft durch eine Talsohle. Bei einem W wären neuerliche Zwischentiefs zu verkraften.
Exzessiv Kapital in die Märkte geschossen
Dadurch, dass die Regierungen eingesprungen seien und exzessiv Kapital in die Märkte geschossen hätten, sei das Allerschlimmste vermieden worden, meint Navidi und erklärt, wie das abläuft: „Die Regierungen haben Geld unter die Leute gebracht, um die Konjunktur zu stützen, Banken zu finanzieren und Kredite für Unternehmen zu ermöglichen. Aber das Geld muss ja irgendwo herkommen. Also wurde es auf Knopfdruck geschaffen, wurden die Druckerpressen angeworfen. Jetzt ist dieses Extra-Geld im Markt. Aber um letztlich eine Inflation zu vermeiden, muss dieses Geld wieder dem Kreislauf entzogen werden.”
Natürlich sei es schwierig, dafür den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um einerseits nicht eine aufkeimende Wirtschaft abzuwürgen, andererseits nicht eine Inflation aufkommen zu lassen. Es gebe mehrere Mechanismen, um dies zu bewerkstelligen. Aber, da ist sie sich sicher, es werde auch zu Steuererhöhungen kommen. Sandra Navidi: „Die Quittung werden wir auf alle Fälle bekommen.”
Unternehmerisches Denken hat die Expertin, die regelmäßig auch im Fernsehen, etwa beim deutschen Nachrichtensender NTV, befragt wird, schon in Kindertagen verinnerlicht. Der Vater, ein gebürtiger Perser, hatte ein mittelständisches Unternehmen in Mönchengladbach. Sandra Navidi: „Harte Arbeit wurde mir schon frühzeitig beigebracht. Als erste morgens da sein, als letzte abends gehen; den Mitarbeitern Respekt entgegenbringen und nicht die Tochter des Chefs spielen.”
Während ihres Jura-Studiums knüpfte sie Kontakte in die USA. Schon damals war ihr klar: „Hier gehöre ich hin.” Schließlich bekam sie ein Angebot eines US-Vermögensverwalters und ging mit fliegenden Fahnen nach New York.
Freizeit ist für sie ein Fremdwort
Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit fielen ihr frühzeitig die damals noch kontroversen Veröffentlichungen von Roubini auf. Die Jurist-Ökonomin: „Die waren so klar, so logisch – und sie trafen voll meine Meinung.” Als sich die beiden Anfang 2008 kennenlernten, hatten sich zwei getroffen, die die gleiche Sprache sprechen.
Freizeit ist für die Wahl-New-Yorkerin ein Fremdwort geworden. Zwar hat sie einen netten Freundeskreis, den sie auch pflegt, aber ansonsten sind es eher beruflich bedingte Treffs, die ihre Zeit ausfüllen – in New York und auf internationalem Parkett, wie beispielsweise Treffen des Weltwirtschaftsforums oder des Internationalen Währungsfonds.
Mit Freunden trifft sie sich gelegentlich im Hotel Four Seasons oder in privaten Clubs wie dem University, Union oder National Arts Club und dem Soho House.
Schöpferische Pausen gönnt sich die agile Frau mit einem (Fach-)Buch in ihrer lichtdurchfluteten Wohnung auf der Upper-East-Side nahe dem Central Park. Jenem New Yorker Prominentenviertel, in dem auch Jacqueline Kennedy Onassis wohnte. Von ihrer großen Terrasse aus hat sie einen tollen, unbeeinträchtigten Blick über die Dächer der Stadt der Wolkenkratzer.
Da Sandra Navidi aber nicht untätig sein kann, hat sie auch gleich noch ein Laufband und einen Fahrrad-Heimtrainer in ihrer Wohnung. Und auf beiden lassen sich wieder hervorragend (Fach-)Bücher lesen. NRZ