Verbraucher in NRW können für ihr Geld mehr kaufen. Doch was zählt, ist die persönliche Inflationsrate
Nackten Zahlen tut es ganz gut, wenn ihnen der Hauch der Geschichte etwas Leben intubiert. In diesem Januar 2015 widerfährt ihnen das fast täglich. Historisch niedrige Zinsen treffen auf ein Dax-Allzeithoch, flankiert von einem in diesem Jahrhundert beispiellosen Absturz des Ölpreises, einem Zwölf-Jahres-Tief des Euro und nun einer seit den ersten Nachkriegsjahren nicht mehr erlebten Verbilligung der Verbraucherpreise. In NRW sanken sie im Januar gegenüber dem Dezember um 1,0 Prozent – einen stärkeren Preisverfall gab es zuletzt im Januar 1950. Auch zum Vorjahresmonat gaben die Preise nach – um 0,4 Prozent.
Eine fürwahr historische Geldflut der Europäischen Zentralbank soll die Preise ab März wieder nach oben treiben. Doch bis dahin, und wenn die Billionen-Bazooka ins Leere zielt, auch darüber hinaus, können sich die Verbraucher über moderate Rechnungen freuen – nicht nur an der Tankstelle. Die Spritpreise sanken zum Dezember um weitere 3,3 Prozent. Den Daten des Landesstatistikamtes zufolge werden die Verbraucher aber auch an der Supermarktkasse entlastet: Obst etwa verbilligte sich um 3,2 Prozent, die Lebensmittelpreise blieben im Vergleich zum Dezember im Schnitt unverändert, sanken aber binnen Jahresfrist um 1,8 Prozent. Vor allem Butter (-20 Prozent), Obst (-6,8 Prozent) und Gemüse (-7,3 Prozent) sind dieser Tage deutlich günstiger als vor einem Jahr.
Die zum Jahresbeginn traditionelle Rutschpartie bei Textilwaren (Winterschlussverkauf) fiel mit einem Minus von 6,3 Prozent üppig aus. Pauschalreisen verbilligten sich gegenüber Dezember fast um ein Fünftel – nur haben im Januar die wenigsten etwas davon.
Gespartes gewinnt wieder an Wert
Ein schöner Nebeneffekt: Das auf der Bank zu Minizinsen geparkte Geld hat nicht weiter an Wert verloren, sondern diesmal sogar an Kaufkraft gewonnen, weil man mit dem Geld mehr kaufen kann.
Allerdings profitiert nicht jeder gleich von den sinkenden Preisen. Wie die gefühlte Temperatur ist auch die gefühlte Inflation kein Hirngespinst, sondern messbar. Schließlich nimmt jeder Verbraucher nur die Preisentwicklung jener Güter wahr, die er regelmäßig kauft. Wer etwa Bus und Bahn statt Auto fährt, hat nichts vom billigen Sprit, sondern zahlt sogar drauf. Nahverkehrs-Fahrkarten sind in NRW um 2,1 Prozent teurer als im Dezember.
Wer es genau wissen will, kann recht einfach seine ganz persönliche Inflationsrate ermitteln: Auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes (destatis.de) gibt es einen „persönlichen Inflationsrechner“. Hier lassen sich die einzelnen Ausgabeposten verschieben. Wer etwa Kraftstoffe und Tabakwaren streicht, aber häufiger Restaurants besucht, mehr als der Durchschnittsdeutsche in seine Gesundheit investiert und womöglich noch Bahn fährt, wird für sich keine sinkenden, sondern steigende Preise als Ergebnis bekommen.
Von einer echten Deflation kann indes trotz der gesunkenen Preise keine Rede sein. Das wäre der Fall, wenn die Verbraucher Einkäufe aufschieben, weil sie auf noch stärker fallende Preise hoffen. Die Deutschen tun aber das Gegenteil: Die niedrigen Preise haben im Zusammenspiel mit den Mini-Sparzinsen und Lohnerhöhungen einen kleinen Kaufrausch ausgelöst. Das Konsumklima liegt laut GfK auf einem – fast historischen – 13-Jahres-Hoch.